Paradies
Gratins.
»Es braucht noch ein bisschen.«
»Sollen wir es mit Folie abdecken, damit es nicht verbrennt?«
»Ich glaube, es geht auch so«, meinte Thomas.
Eleonor wusch sich die Hände an der Spüle, trocknete sie an ihrer Schürze ab und atmete auf.
»Habe ich rote Bäckchen bekommen?«, erkundigte sie sich und lächelte.
Er schluckte und lächelte zurück.
»Das sieht sehr charmant aus«, antwortete er.
Sie löste die Schleife der Schürze auf dem Rücken, hängte sie an den Haken und ging ins Schlafzimmer, um sich andere Schuhe anzuziehen. Thomas ging mit der Salatschüssel ins Eßzimmer und stellte sie zwischen Kristallgläsern, englischem Porzellan und Silberbesteck ab. Er warf einen prüfenden Blick auf den Tisch, die kalten Antipasti als Vorspeise, Servietten, Mineralwasser, der Salat, alles außer dem Wein war an seinem Platz.
Er seufzte, war müde, hätte jetzt lieber auf der Couch gelegen, ferngesehen und über sein Projekt nachgedacht. Den ganzen Nachmittag hatte er sich mit dem Bericht beschäftigt, in dem Menschen davon erzählten, wie sie es empfanden, von der Sozialhilfe zu leben, wie das Leben am Existenzminimum sie verschliss, wie unangenehm es war, erklären zu müssen, warum das Kind neue Sportschuhe benötigte, die gestresste Haltung der Sachbearbeiter, das ständige Gefühl, Almosen anzunehmen und erniedrigt zu werden. Dass sie gezwungen waren, sich entweder die Zähne machen zu lassen oder ihre Medikamente zu kaufen, und es sich niemals leisten konnten, Fleisch zu essen oder dem Betteln der Kinder um Schlittschuhe oder ein Fahrrad nachzugeben.
Die Verzweiflung dieser Menschen hatte tiefe Spuren in ihm hinterlassen, sie wollte ihn nicht loslassen, es blieb eine Wunde in ihm.
Wenn es doch nur in meiner Macht stünde, etwas zu verändern, dachte er, schloss die Augen und atmete tief durch.
Dann hörte er, wie in der Einfahrt Autotüren zugeschlagen wurden, und wartete auf das knirschende Geräusch von Schotter gegen Eis.
»Sie kommen!«, rief er in Richtung Schlafzimmer.
Die spröde Melodie der Türklingel erklang. Thomas trocknete sich die Hände ab und ging in den Flur hinaus, um zu öffnen.
»Herzlich willkommen, kommt rein, legt bitte ab, soll ich mit dem Pelz helfen…?«
Die Gäste waren Nisse von der Bank, die Filialleiter aus Täby und Djursholm und der Regionalleiter aus Stockholm, drei Männer und eine Frau.
Eleonor erschien, als er die ersten Drinks servierte. Sie war kühl, schön und lächelte.
»Wie schön, dass ihr gekommen seid«, sagte sie. »Herzlich willkommen!«
»Wir haben immerhin einiges zu feiern«, erwiderte der Regionalleiter. »Schön habt ihr es hier!«
Er gab ihr richtige Küsse auf beide Wangen, und Thomas beobachtete ärgerlich, dass Eleonor rot wurde.
»Danke, wir fühlen uns hier sehr wohl.«
Sie schielte zu Thomas hinüber, der ein wenig gezwungen lächelte. Sie prosteten sich zu.
»Soll ich euch kurz das Haus zeigen?«, fragte Eleonor.
Der Vorschlag fand enthusiastische Zustimmung, und die Gesellschaft machte sich auf den Weg, während Thomas allein im Salon zurückblieb. Die helle Stimme seiner Frau erklang.
»Wir wollen die Küche renovieren lassen«, sagte sie gut gelaunt, »und bei der Gelegenheit einen Gasherd einbauen lassen. Wir kochen doch so gern, und es ist eben ein ganz anderes Gefühl mit einer offenen Flamme… Fußbodenheizung wollen wir haben und Marmor, am liebsten in Grün, das ist so beruhigend… Und hier unten haben wir die Souterrainetage, da drüben planen wir einen Weinkeller, wir haben das Gefühl, dass wir ein bisschen sorgfältiger mit unserer Weinsammlung umgehen sollten…«
Er stellte seinen Drink ab und bemerkte, dass seine Hand zitterte.
Was für eine Weinsammlung? Eleonors Eltern hatten einen guten Weinkeller auf dem Land, gefüllt mit einer Reihe guter Tropfen, aber sie selber hatten nicht einmal ansatzweise damit begonnen, Wein zu sammeln, dafür hatten sie bisher überhaupt keine Zeit gehabt.
Plötzlich spürte er, dass langsam Panik in ihm hochkroch, und ihm wurde ganz kalt.
Nein, bat er, nicht jetzt, lass mich wenigstens noch den heutigen Abend überstehen, er ist so wichtig für Eleonor.
Er ging in die Küche und öffnete die Rotweinflaschen, damit der Wein Luft bekam. Anschließend ließ er den Sektkorken knallen und füllte die Gläser.
»Was für ein herrliches Haus!«, sagte der Regionalleiter, als sie aus dem Wohnzimmer die Treppe hinaufkamen. »Wunderbar, wenn man so viele Pläne
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