Paradies
größte und wichtigste Einnahmequelle. Drei Viertel des eingenommenen Geldes stammten aus dem Verkauf von Waffen. Sie haben das gesamte ehemalige Jugoslawien nach Waffen durchkämmt, die sie in riesigen Lagern horten. Mit diesen Arsenalen können sie bis zum Jüngsten Tag Krieg führen oder ihn sogar selbst herbeiführen. Sie machen oft Geschäfte mit dem Mittleren Osten und dem Irak. Nordkorea ist sehr an Chemiewaffen interessiert, da kann Belgrad behilflich sein. Sie sorgen für Nachschub bei einer Reihe afrikanischer Länder mit lokalen Konflikten. Man bedient sich polnischer Schiffe, die in Danzig in See stechen, belädt sie in Serbien und fährt mit ihnen durch den Suezkanal, wo die Zollbeamten bestochen worden sind.«
Annika starrte den Mann an. Sie hatte bis jetzt noch keine einzige Zeile geschrieben.
»Was wollen Sie mir eigentlich sagen?«, fragte sie. »Ist das auch wahr?«
»Der Schmuggel von Zigaretten ist ebenfalls wichtig«, fuhr der Oberst fort, »und dann sind da natürlich noch Alkohol, Rauschgift und Prostitution. Die Zigaretten werden in großen, illegalen Fabriken hergestellt, mit falschen Etiketten versehen, Marlboro, in Lastwagen geladen, die verplombt und mit Finnland als Ziel durch Europa gefahren werden. In Schweden wird die Plombe aufgebrochen, und die Lastwagen werden entladen. Anschließend fährt man zur Botschaft und bekommt eine neue Plombe, was dadurch ermöglicht wird, dass der Staat das Ganze arrangiert. Daraufhin fährt man nach Finnland weiter und entlädt ein paar Pappkartons.«
Annika senkte den Kopf.
»Warten Sie einen Moment«, sagte sie. »Könnten Sie den Anfang bitte noch einmal wiederholen? Waffen, Afrika? Nordkorea?«
Der alte Mann wiederholte geduldig mehrere Details.
»Was die Prostitution betrifft, so stammen die Frauen vor allem aus der Ukraine und Weißrussland und werden in die Bordelle in Mitteleuropa, vor allem in Deutschland, Ungarn, Tschechien und Polen exportiert. Das Rauschgift stammt größtenteils aus Afghanistan. Nicht die Taliban, sondern die oppositionellen Kräfte produzieren das Rauschgift. Die Route führt durch die Türkei, und in letzter Zeit sind es immer öfter die Kosovo-Albaner, die diesen Teil der Wegstrecke übernehmen. Wenn die Kosovo-Albaner dann das Rohmaterial erhalten haben, verkaufen sie es an die Serben weiter. Die Serben veredeln es dann zu erstklassigem Stoff. Ganze Krankenhäuser sind in diese Arbeit eingebunden, ebenso wie große Teile der landwirtschaftlichen Industrie.«
Annika schluckte. Ihr wurde schwindlig, und sie schrieb so schnell, dass ihr der Arm wehtat, war das denn wirklich möglich?
»Der Alkohol wird in großen Fabriken produziert und mit falschen Etiketten versehen, zum Beispiel für zwölf Jahre alten schottischen Whisky oder finnischen Wodka. Wenn diese Geschäfte unterbunden würden, wäre das Land innerhalb weniger Tage wirtschaftlich am Ende. Die Arbeiter bekämen keine Löhne mehr, das System würde zusammenbrechen.«
Der Mann seufzte.
»Der RDB stellt alle Arten von Pässen her, skandinavische, französische, amerikanische. Er verfügt über ein dichtes Netzwerk in ganz Europa in Form von Bars, Diskotheken, serbischen Vereinen und Schachklubs.«
Er lachte auf, aber es war ein freudloses Lachen.
»Die serbische Geheimpolizei hat einen kleinen Tick«, sagte er.
»Anschläge und Verhaftungen werden nur mittwochs durchgeführt. Hat man den Mittwoch überstanden, ist man sicher bis zur nächsten Woche. Die Säuberungspatrouillen bestehen jeweils aus Gruppen von drei oder fünf Männern. Wenn sie in einem anderen Land operieren, setzen sie sich mit Hilfe der Botschaften oder der Konsulate wieder ab. In Schweden ist das Konsulat in Trelleborg ausgesprochen aktiv.«
Er verstummte. Annika vervollständigte ihre Notizen und blieb mit dem Stift auf dem Papier sitzen.
»Wie soll ich das alles nachprüfen können?«, wollte sie wissen.
Der Mann stand auf, ging in den kleinen Flur hinaus, öffnete die Tür des Kleiderschranks und drehte die Zahlenkombination eines kleinen Tresors. Als er zurückkam, hielt er ein paar Dokumente in den Händen, von denen zwei blau waren.
»Ich habe sie in der Botschaft gestohlen«, sagte er. »Zwei TIRPlomben für Lastwagen. Man wird sie dort bald vermissen.«
Er legte sie auf das Bett neben Annika, die die Schilder anstarrte, zu dem Mann aufsah und immer verwirrter wurde.
»Wie ist das möglich?«, fragte sie.
Der Mann ließ sich wieder auf das Bett fallen.
Ȇberall in
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