Paradies
würde sie sterben.
Es gab aber doch eine Möglichkeit, herauszufinden, ob Aida gewusst hatte, wovon sie redete.
Annika ging zu ihrem Schreibtisch und wählte die Nummer von Q.
»Heute Abend habe ich wirklich keine Zeit«, sagte ihr Informant bei der Polizei.
»Haben Sie den Ferntransporter gefunden?«, fragte sie schnell.
Langes, verblüfftes Schweigen.
»Ich weiß, dass Sie danach suchen«, fuhr sie fort.
»Woher zum Teufel wissen Sie von dem Sattelschlepper?«, fragte er. »Wir haben gerade erst erfahren, dass er verschwunden ist, und sind noch nicht einmal dazu gekommen, die Fahndung danach rauszugeben.«
Sie atmete auf. Aida log nicht.
»Ich habe meine Quellen«, sagte sie.
»Sie werden wirklich immer gespenstischer«, meinte Q. »Haben Sie etwa das zweite Gesicht?«
Sie musste laut lachen, ein wenig zu laut.
»Ich meine es ernst«, sagte Q. »Das hier ist kein Spiel. Passen Sie gut auf, mit wem Sie über diese Dinge sprechen.«
Das Lachen blieb ihr im Hals stecken.
»Was meinen Sie damit?«
»Alle, die davon wussten, dass der Sattelschlepper verschwunden ist, stecken ganz schön in der Klemme, einschließlich Ihres Informanten.«
Sie schloss die Augen und musste schlucken.
»Ich weiß.«
»Sie wissen was?«
»Was wisst ihr?«
Er seufzte leise.
»Die Sache ist noch lange nicht ausgestanden«, antwortete er.
»Es wird noch mehr Morde geben«, sagte Annika leise.
»Wir versuchen sie zu verhindern, aber wir hinken gewaltig hinterher«, erwiderte Q.
»Was kann ich schreiben?«
»Den Ferntransporter oder, besser gesagt, den Sattelschlepper können Sie bringen. Schreiben Sie, wir wissen, dass er mit einer Fracht Zigaretten unbekannten Werts verschwunden ist.«
»Fünfzig Millionen«, sagte Annika.
Er atmete vernehmlich in den Hörer.
»Da wissen Sie mehr als ich, aber ich glaube Ihnen.«
»Wer waren die Männer?«, fragte sie.
»Das wissen wir immer noch nicht.«
»Mein Informant sagt, dass sie nicht wichtig waren. Was kann sie damit gemeint haben?«
Er schwieg eine Zeit lang.
»Dann haben Sie also einen weiblichen Informanten? Sie wissen, dass wir nach ihr suchen. Sie sollte vielleicht das dritte Opfer sein, wir haben Blut auf einem Ladekai in der Nähe des Tatorts gefunden.«
Schweigen.
»Bengtzon, verdammt noch mal, seien Sie bloß vorsichtig.«
Dann legte er auf.
Sie blieb mit dem Rauschen in der toten Leitung noch ein paar Sekunden sitzen und verspürte ein seltsames Unbehagen.
»Was war denn das?«, wollte Jansson wissen.
»Nur eine kurze Recherche«, sagte sie und ging zur Kriminalredaktion hinüber.
Sjölander telefonierte, gurrte, blickte gereizt auf. Sie setzte sich auf den Rand seines Schreibtischs, so wie er es auch immer bei ihr tat.
»Die Morde im Freihafen entwickeln sich zu einem Fortsetzungsroman. Ein Sattelschlepper, randvoll beladen mit geschmuggelten Zigaretten, ist verschwunden, die Polizei erwartet bereits den nächsten Mord.«
Der Leiter der Kriminalredaktion nickte anerkennend.
»Gute Informanten«, meinte er. »Schreibst du selbst?«
»Lieber nicht«, antwortete sie. »Aber es stimmt, ich habe es von zwei Seiten. Die eine ist die Polizei.«
»Mail mir rüber, was du hast«, sagte er.
»Wie wäre es mit ein paar ausführlicheren Hintergrundinformationen über die Zigarettenmafia?«
Er hielt bereits wieder den Hörer in der Hand und hob den Daumen.
DIENSTAG, 30. OKTOBER
Annika war hellwach und starrte zu der grauen, rissigen Decke hinauf. Das Zwielicht hinter den weißen Vorhängen kündete von Mittagszeit und schlechtem Wetter. Seltsamerweise hatte sie das Gefühl, ausgeschlafen zu sein, und hatte auch keine Schmerzen.
Sie legte sich auf die Seite, und ihr Blick fiel auf die Karte, die sie auf den Nachttisch gelegt hatte. Die Telefonnummer von Rebecka Björkstig. Der Entschluss flog ihr zu, sie setzte sich einfach im Bett auf und wählte die Nummer, impulsiv und neugierig.
Es klingelte. Das klang wie ein ganz normales Freizeichen, weder geschützt noch gelöscht. Sie wartete angespannt.
»Stiftung
Paradies
!«
Es war die Stimme einer älteren Frau.
»Hm-hm, ich heiße Annika Bengtzon und hätte gern Rebecka Björkstig gesprochen.«
»Einen Augenblick, bitte…«
Telefonrauschen, das normale Rauschen der Stille, Absätze auf einem Fußboden, die sich näherten, eine Toilette, die spülte, sie lauschte intensiv. Bis hierhin klangen die Aktivitäten der Stiftung
Paradies
ganz normal.
»Annika Bengtzon? Wie schön, dass Sie von sich hören
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