Paradies
den Raum, zielte auf das Bett und schaltete das Licht an.
Es war leer.
Das Bettzeug war zerwühlt, eine Rolle Toilettenpapier lag auf dem Nachttisch, ansonsten folgte die Möblierung dem üblichen Standard.
Die Wut überspülte ihn mit einer Welle, die ihn völlig ermatten ließ. Er sank auf das Bett, legte die Hand auf einen Haufen voll geschnupften Papiers. Auf dem Fußboden neben seinem Fuß lag ein kleiner Karton. Er hob ihn auf und las, was auf der Verpackung stand.
Eine leere Schachtel Antibiotika, der Text war auf Serbokroatisch.
Sie musste es gewesen sein, sie musste hier gewesen sein.
Er stand auf und trat drei Mal gegen das Kopfende des Bettes, bis es nachgab.
Hure. Ich werde dich finden.
Er ging das ganze Zimmer durch, Zentimeter für Zentimeter, Schublade für Schublade, stöberte in den Papierkörben, den Schränken, riss den Schreibtisch auf und die Matraze hoch.
Nichts.
Anschließend holte er sein Messer heraus und schnitt systematisch das Bettzeug, die Daunendecke, die Kissen, die Sprungfedermatratze, die Stuhlbezüge, den Duschvorhang in Fetzen und explodierte dabei fast, so stark war der Druck in seinem Innern.
Er setzte sich auf den Badewannenrand und legte die Stirn an die kalte Klinge des Messers.
Sie war hier gewesen, sein Informant war verlässlich gewesen. Wo zum Teufel war sie jetzt hin? Bald würden sich alle über ihn das Maul zerreißen, den Typen, der die Fotze nicht in die Finger bekam. Er hätte in das Zimmer eindringen müssen, als er hier war, aber da hatte er Pech gehabt, diese verdammten Hotelgäste auf dem Flur, diese schwedische Hure.
Er ric htete sich auf.
Die schwedische Frau, wer zum Teufel war sie eigentlich? Er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie hatte akzentfrei gesprochen, und sie musste Aida gekannt haben. Aber woher? Und was machte sie hier? Wie hing sie in der Sache drin?
Plötzlich klingelte das Handy in seiner Jackentasche. Der Mann riss die Jacke auf, zog das Handy heraus, streichelte nebenbei seine Waffe.
»Molim?«
Gute Nachrichten, endlich gute Nachrichten.
Er verließ das Zimmer und schlich unbemerkt aus dem Hotel.
Annika Bengtzon trat ein, ohne anzuklopfen, und ließ sich auf sein altes Sofa fallen, ohne sich weiter über den Gestank aufzuregen.
»Ich habe einen Tipp bekommen, den ich gern möglichst bald mit Ihnen besprechen würde«, sagte sie. »Haben Sie einen Augenblick Zeit?«
Sie wirkte müde, beinahe krank.
»Es sieht nicht so aus, als hätte ich eine Wahl«, erwiderte Anders Schyman gereizt.
Sie holte tief Luft und atmete langsam wieder aus.
»Entschuldigung«, sagte sie, »ich bin ein wenig überdreht. Ich war gerade bei einem verdammt unangenehmen…«
Sie schälte sich aus Jacke, Schal und Handschuhen.
»Gestern Abend habe ich eine Frau namens Rebecka Björkstig getroffen. Sie ist Geschäftsführerin einer vollkommen neuartigen Stiftung, die
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heißt. Die Stiftung verhilft Menschen, die aus irgendeinem Grund bedroht werden, zu einem neuen Leben, vor allem Frauen und Kindern. Es klang verdammt interessant.«
»Wie helfen sie ihnen?«
»Sie löschen sie aus allen Computerregistern. Sie wollte mir die Methode nicht preisgeben, ehe ich die Zusage habe, dass die Sache veröffentlicht wird.«
Schyman betrachtete sie, sie war nervös.
»Solche Garantien können wir nicht geben, ohne zu wissen, worum es eigentlich geht, das wissen Sie«, sagte er. »Eine solche Organisation muss sehr sorgfältig überprüft werden, ehe wir damit an die Öffentlichkeit treten. Diese Rebecka Björkstig kann doch alles Mögliche sein, eine Betrügerin, eine Mörderin, woher wollen Sie das wissen?«
Sie sah ihn lange an.
»Denken Sie, ich sollte versuchen, das herauszufinden? Ich meine, denken Sie, dass ich…«
Sie verstummte. Er verstand, worauf sie hinauswollte.
»Treffen Sie sich von mir aus noch einmal mit ihr und sagen Sie ihr, dass wir Interesse haben. Allerdings finde ich nicht, dass die Geschichte zu viel Zeit und Kraft von Ihrem Nachtjob in Anspruch nehmen darf.«
Sie stand von dem Sofa auf und setzte sich stattdessen in einen der Besucherstühle vor seinem Schreibtisch.
»Sie müssen dieses dämliche Sofa loswerden«, sagte sie. »Warum bitten Sie nicht einfach jemanden, es rauszutragen?«
Sie legte ihren Notizblock auf den Schreibtisch. Er zögerte einen Augenblick, entschloss sich dann aber, ehrlich zu sein.
»Ich weiß, was Sie wollen. Sie wollen, dass ich Sie von der Nachtschicht befreie und wieder als Reporterin
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