Paradies
Häusern mit Ecktürmchen gesäumt wurde. Eine Bank, ein Blumengeschäft, ein Supermarkt. Annika fiel ein, dass sie keinen Stadtplan hatte.
Das Rathaus liegt bestimmt am Marktplatz, dachte sie. Es kann nicht so schwer sein, es zu finden.
Sie fuhr die Straße hinunter, bis sie zum Wasser kam, bog rechts in einen kleinen Kreisverkehr ab und landete an einer Fähre. Eine lange Autoschlange wartete auf das schmutzig gelbe Fährboot zur Insel Rindö.
Sie fuhr nach links. Östra Ekuddsgatan. Sie spähte zu den aufgereihten Villen mit Strandgrundstück hinüber.
Das Villenviertel, dachte sie.
The hot shit people.
Das Auto glitt langsam einen steilen Hang hinauf, mit sandigem Asphalt, Gartentoren und Zäunen um jedes einzelne Haus.
»Trist«, sagte sie laut und merkte, dass sie wieder an ihrem Ausgangspunkt angekommen war. Erneut fuhr sie die muntere Straße mit den Wimpeln hinunter und bog diesmal an ihrem Ende nach links ab statt nach rechts. So gelangte sie schließlich zu einem Polizeipräsidium an einem kleinen Platz. Direkt vor ihr lag ein großes orangefarbenes Haus, das von einem kleinen russischen Zwiebelturm gekrönt wurde. Die Doppeltüren waren ebenso wie die beiden Laternenpfosten, die sie flankierten, marmoriert. Auf einem kleinen Briefkasten las sie: Gemeinde Vaxholm, Rathaus.
Das Wetter wurde einfach nicht besser. Das Grau hatte sich in Thomas’ Hirn gebohrt, und er hätte am liebsten geweint. Die enge Straße unter dem Fenster sah aus wie ein Straßengraben voller Lehm. Die Stapel mit Akten und Arbeitsaufgaben drohten ihn zu ersticken, das Telefon klingelte andauernd. Er starrte den schrillenden Apparat an.
Ich gehe einfach nicht dran, dachte er. Es ist ja doch nur wieder eine Kindertagesstätte, die sich einbildet, dass noch Geld in ihrem Etat ist.
Er riss den Hörer mit einem Ruck an sich.
»Hallo, hier ist die Zentrale. Bei mir steht eine Zeitungsreporterin, die mit jemandem sprechen möchte, der für die Finanzen und Verträge der Sozialverwaltung zuständig ist, und da habe ich gedacht, dass Sie vielleicht…«
Oh, mein Gott, nahm das denn nie ein Ende?
»Ich bin kein Politiker. Schicken Sie die Frau zum Stadtrat.«
Der Pförtner war nicht mehr zu hören, und als seine Stimme wieder erklang, war sie kurz angebunden.
»Sie will keinen Politiker sprechen, sie will nur ein paar… wonach wollten Sie noch fragen?«
Er legte die Stirn in die Hand und stöhnte auf. Herr, gib mir Kraft!
Das Murmeln im Hintergrund wurde jetzt lauter.
»Könnte ich vielleicht selber mit ihm sprechen?«, hörte er jemanden sagen, gefolgt von einem fragenden Hallo.
»Worum geht es?«, sagte er trocken und müde.
»Hallo, ich heiße Annika Bengtzon und bin Journalistin. Ich wollte fragen, ob Sie vielleicht ein paar Minuten Zeit für mich hätten, um ein paar kurze Fragen dazu zu beantworten, wie in einer Gemeindeverwaltung Dienstleistungen und Verträge gehandhabt werden?«
Warum immer ich?, dachte er.
»Ich habe keine Zeit«, antwortete er.
»Warum nicht?«, erkundigte sie sich schnell. »Sind Sie ausgebrannt?«
Er musste plötzlich lachen, was für eine Frage.
»Sie haben keinen Termin«, sagte er, »und ich habe im Moment unheimlich viel zu tun.«
»Es dauert nur eine Viertelstunde«, meinte die Journalistin. »Sie brauchen sich keinen Zentimeter von der Stelle zu rühren, ich komme zu Ihnen.«
Er seufzte leise.
»Ehrlich gesagt…«
»Ich stehe hier beim Pförtner. Es geht ganz schnell. Bitte.«
Das letzte Wort sagte sie flehend.
Er rieb sich die müden Augen. Es würde sicher länger dauern, sie abzuwimmeln.
»Dann kommen Sie schon.«
Sie war mager, hatte zerzaustes Haar, einen leicht manischen Zug um den Mund und etwas zu markante Schatten unter den Augen, um wirklich hübsch zu sein.
»Ich muss Sie um Entschuldigung dafür bitten, dass ich hier so hereintrample«, sagte sie und stopfte ihre große Tasche unter seinen Besucherstuhl. Ihre Jacke und das Halstuch drapierte sie achtlos auf der Rückenlehne, und ein Ärmel rutschte auf die Erde. Sie streckte ihm die Hand entgegen und lächelte. Thomas nahm sie, schluckte und merkte, dass seine rechte Hand ein wenig feucht war. Er war den Kontakt zu Medienvertretern nicht gewohnt.
»Sie müssen mir sagen, wenn ich mit meinen Fragen zu weit gehe«, sagte die Frau. »Im Sozialamt geht es ja um sensible Themen, das ist mir schon klar.«
Sie setzte sich auf den Stuhl, ließ ihn nicht aus den Augen, war voll konzentriert und hielt den Stift
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