Paradies
dauerte eine Ewigkeit, mehrere Minuten.
Die Stimme der Postbeamtin war noch abweisender, als sie wieder erklang.
»Seit der Privatisierung der Post sind alle Verträge zwischen uns und den Kunden nicht einsehbar. Sollte die Polizei ein Verbrechen vermuten, das mit einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren geahndet werden könnte, geben wir die Informationen weiter, aber sonst nicht.«
Annika bedankte sich, legte auf und drehte eine rastlose Runde durch die Redaktion. Die Angestellten unterhielten sich, riefen, lachten, Telefone klingelten, Computerbildschirme flimmerten.
Mitarbeiter von Behörden, sie musste einen Beamten finden, der etwas über die Sache wusste. Weil sie keinen der Fälle kannte, musste sie aufs Geratewohl ihr Glück versuchen. Sie ging zu ihrem Platz zurück, schlug das Telefonbuch auf und rief die Stockholmer Stadtverwaltung an.
»Welche Bezirksverwaltung möchten Sie sprechen?«
Sie entschied sich für ihre eigene, Kungsholmen, und landete in einer Warteschleife. Nach zwölf Minuten massiver Stille im Hörer legte sie wieder auf.
Järfälla vielleicht?
Die Personen- und Familienfürsorge war telefonisch zwischen 8.30 und 9.30 Uhr zu erreichen, donnerstags auch zwischen 17 und 17.30 Uhr.
Sie stöhnte auf. Es hatte keinen Sinn, wahllos in der Gegend herumzutelefonieren. Selbst wenn sie, was nicht sehr wahrscheinlich war, jemanden auftreiben sollte, der etwas wusste, würde er ihr keine Auskunft geben. Fälle dieser Art unterlagen dem Datenschutz. Sie musste einen Ausgangspunkt haben, einen Ort, bei dem sie sicher sein konnte, dass die Gemeindeverwaltung eingeschaltet worden war.
Sie holte sich eine Tasse Kaffee. Auf dem Rückweg kam sie an einer Gruppe von Frauen vorbei, die sich in der Abteilung für Vermischtes fröhlich unterhielten, und blickte, ohne zu grüßen, zu Boden. Als sie vorbeiging, hatte sie das Gefühl, dass die Stimmen der Frauen verstummten, als hätte man über sie gesprochen.
Hirngespinste, dachte sie, fand sich aber nicht sehr überzeugend.
Sie stellte den Plastikbecher so schwungvoll auf Berits Schreibtisch ab, dass der Kaffee überschwappte, und versuchte sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Es hat keinen Sinn, sich die Sozialarbeiter vorzunehmen, dachte sie. Die geraten schon in Panik, bevor man überhaupt eine Frage gestellt hat, und antworten auf gar nichts, nicht einmal bei etwas, das nicht der Schweigepflicht unterliegt.
Wo konnten die Informationen zugänglich sein?
Die Rechnungen. Natürlich!
Den Rechnungen der Stiftung musste man zahlreiche Informationen entnehmen können, Organisationsnummer und Adresse, Bankkonto oder Postgirokonto. Ein Betriebswirt bei einer Gemeindeverwaltung könnte vielleicht Angaben über Steuern, Statuten und Wirtschaftsprüfer bekommen.
In den grünen Seiten des Telefonbuchs blätterte sie die Liste der Städte und Gemeinden durch. Welche sollte sie nehmen?
Sie ließ das Telefonbuch fallen und nahm stattdessen die Ausdrucke von den Dafa-Seiten zur Hand. Rebecka Björkstigs Wohnort war nicht verzeichnet, aber Aida war in Vaxholm gemeldet.
Vaxholm.
Annika wusste nur, dass es nördlich von Stockholm an der Küste lag.
Das ist ein Schuss ins Blaue, dachte Annika. Es ist nicht gesagt, dass Aida Kontakt zur Stiftung aufgenommen hat. Es ist nicht gesagt, dass ihre Gemeinde eingeschaltet worden ist. Vielleicht ist auch noch zu wenig Zeit vergangen.
Auf der anderen Seite war es eine Chance. Sie wählte die Nummer und musste ewig warten. Ihre Gedanken schweiften ab, sie sollte lieber anrufen, um zu hören, wie es ihrer Großmutter ging. Als sich die Telefonzentrale endlich meldete, hatte sie fast vergessen, wo sie angerufen hatte. Sie fragte nach jemandem, der für die Finanzen der Sozialverwaltung zuständig war. Dort sei besetzt, und es warte bereits jemand in der Leitung, ob sie später noch einmal anrufen könne?
Sie legte auf, zog ihre Jacke an, steckte den Notizblock in die Tasche und nahm Kurs auf den Hausmeister und die Dienstwagen.
»Keine Liste?«
Eva-Britt Qvist antwortete erst gar nicht.
Die E 18 nach Roslagen war berühmt für ihre nachmittäglichen Verkehrsstaus. In Bergshamra stand sie fast eine Viertelstunde, bis es endlich weiterging.
Es machte ihr Spaß, Auto zu fahren. Sie fuhr zu schnell, überholte, der Wagen war ziemlich flott. Das Stadtzentrum von Vaxholm tauchte wesentlich schneller auf, als sie erwartet hatte. Muntere kleine Wimpel über einer kopfsteingepflasterten Straße, die von pittoresken
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