Paradies
schreibbereit in der Hand.
Er räusperte sich.
»Was haben Sie mit Ihrer Hand gemacht?«
Sie wandte ihren Blick nicht von ihm ab.
»Mir den Finger geklemmt. Haben Sie schon einmal von einer Stiftung gehört, die
Paradies
heißt?«
Er stutzte, schrak zurück.
»Was zum Teufel wissen Sie darüber?«
Der Frau war seine Reaktion nicht entgangen, das sah er an ihrer zufriedenen Miene.
»Ich weiß einiges, aber nicht genug. Ich würde gern wissen, ob Sie vielleicht mehr wissen als ich.«
»Alle Angelegenheiten, die das Sozialamt betreffen, unterliegen dem Datenschutz«, sagte er kurz angebunden.
»Aber nie im Leben«, widersprach ihm die Journalistin, die jetzt beinahe amüsiert klang. »Es gibt eine ganze Menge, was öffentlich zugänglich ist. Ich weiß nicht, wie die Verwaltungsprozeduren sind, und genau danach wollte ich Sie fragen.«
Sie hatte ihn völlig aus der Fassung gebracht. Wie zum Teufel sollte er damit umgehen? Über den konkreten Fall, die Frau aus Bosnien, konnte er nichts sagen, eigentlich durfte er überhaupt nichts davon wissen. Und er wollte um jeden Preis vermeiden, dass es in der Presse hieß, die Gemeindeverwaltung beauftrage dubiose Stiftungen mit teuren Dienstleistungen.
»Ich kann Ihnen da leider nicht weiterhelfen«, sagte er trocken und stand auf.
»Sie lügt«, sagte die Journalistin leise. »Die Geschäftsführerin der Stiftung
Paradies,
ist eine Lügnerin. Wussten Sie das?«
Er stutzte. Sie sah ihn mit ihren dunklen Augen an, saß etwas vorgebeugt auf dem Stuhl und hatte die Beine übereinander geschlagen. Sie hatte große Brüste.
Er setzte sich wieder und starrte auf den Schreibtisch.
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Es tut mir Leid, aber ich kann Ihnen nicht helfen. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich habe viel zu…«
Sie blätterte in einem großen und unförmigen Block und machte keine Anstalten aufzustehen.
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen ein paar ganz allgemeine Fragen zur Auftragsvergabe bei Dienstleistungen dieser Art stelle?«
»Wie ich schon sagte, eigentlich habe ich keine…«
»Wie hat die Auslagerung öffentlicher Dienste die Arbeit der Städte und Gemeinden beeinflusst?«
Sie sah ihm tief in die Augen, war ganz auf ihn und seine Antwort konzentriert. Er räusperte sich erneut.
»Nach der Dezentralisierung, die mit der veränderten Sozialgesetzgebung von 1982 eingesetzt hat, ging es vor allem um Zahlen.
Jede einzelne Kindertagesstätte, jedes Altenheim, alle Abteilungen sollten ihren eigenen Etat verwalten. Jetzt, nach den Privatisierungen, sind es weniger Details geworden. Jede Institution taucht als ein einziger Kostenfaktor im Etat auf.«
Sie hörte ihm zu, ohne eine Miene zu verziehen, und hatte bislang noch keinen Gebrauch von ihrem Stift gemacht.
»Und was heißt das auf Schwedisch?«
Das Blut schoss ihm in den Kopf, er war verärgert, fühlte sich zurechtgewiesen, beschloss aber, sich nichts anmerken zu lassen.
»In gewisser Weise ist es leichter geworden«, sagte er. »Die Stadt bezahlt einfach eine festgelegte Summe, dann dürfen die beauftragten Unternehmen damit machen, was sie wollen.«
Jetzt machte sie sich Notizen. Er verstummte.
»Was machen Sie?«, wollte sie von ihm wissen. »Was ist Ihre Position?«
»Ich bin Sozialkämmerer, verantwortlich für die Finanzen und die Tätigkeitsplanung, verwalte und plane den Etat. Ich leite die internen Arbeiten, bin verantwortlich für die finanziellen Voraussetzungen, bin Ansprechpartner für die Bedürfnisse und Wünsche des Personals in den einzelnen Abteilungen, stelle die Quartalsabschlüsse zusammen und den Jahresabschluss… Man könnte sagen, dass ich an drei Jahren gleichzeitig arbeite; dem vergangenen, dem laufenden und dem kommenden…«
»Unglaublich«, unterbrach ihn die Frau. »Reden Sie immer so?«
Thomas verlor den Faden.
»Es hat verdammt lange gedauert, es zu lernen«, erwiderte er.
Sie lachte auf, hatte regelmäßige weiße Zähne.
»Was halten die Verwaltungsangestellten von der Entwicklung?«, fragte sie. »Mögen die Leute die neuen Zeiten?«
Sie bewegte sich, und ihre Brüste wippten unter dem Pullover. Er sah wieder auf den Schreibtisch.
»Je nachdem«, sagte er. »Die Leiter der einzelnen Arbeitsbereiche haben an Macht verloren. Das kommt nicht besonders gut an. Sie können nicht mehr bis ins letzte Detail alles steuern, wie dies noch möglich war, als alle Kindergärten und Altenheime kommunal waren. Auf der anderen Seite tragen
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