Paradies
platzte er heraus.
»Still, ich will das hören.«
Er stand schnell von der Couch auf und ging wieder in die Küche.
»Thomas, was ist denn?«, rief Eleonor ihm nach.
Er stöhnte leise und durchwühlte seine Aktentasche auf der Suche nach den Abendzeitungen.
»Nichts.«
Da. Er zog die verknitterten Zeitungen heraus, die so schnell überholt waren und uninteressant wurden.
»Willst du dir die Diskussion denn nicht ansehen? Am Samstag wird man im Kulturverein bestimmt darüber reden.«
Er antwortete nicht und begann mit dem
Abendblatt.
Dort arbeitete sie. Er hatte sie nicht wieder erkannt. Anscheinend schrieb sie keine dieser Reportagen mit kleinen Fotos der Autoren darunter.
»Thomas!«
»Was ist?«
»Du brauchst mich nicht anzuschreien. Haben wir noch leere Videokassetten? Ich möchte das aufnehmen!«
Er ließ die Zeitung sinken und schloss fest die Augen.
»Thomas!«
»Ich weiß es nicht! Mein Gott! Darf ich jetzt vielleicht in Ruhe Zeitung lesen?«
Er schlug demonstrativ die Zeitung wieder auf. Ein großer Mann in dunklen Kleidern starrte ihn von der Zeitungsseite an, der Anführer irgendeiner Zigarettenmafia. Er hörte Eleonor am Videorekorder herumfummeln und wusste, was passieren würde. Gleich würde sie fluchen und auf die Apparate einschlagen und ihn auffordern, sie wieder in Ordnung zu bringen.
»Thomas!«
Er schmiss die Zeitung weg und war mit drei Schritten die Treppe hinunter.
»Ja«, sagte er, »hier bin ich. Jetzt sag schon, was ich tun soll, damit ich wieder hochgehen und in Ruhe meine verdammte Zeitung lesen kann!«
Sie starrte ihn an, als wäre er ein Geist.
»Was ist denn mit dir los? Du bist ja ganz rot im Gesicht. Du sollst mir doch bloß kurz mit dem Videorekorder helfen, ist das etwa zu viel verlangt?«
»Du könntest ruhig mal lernen, auf welche Knöpfe man drücken muss.«
»Jetzt stell dich nicht so an«, sagte sie unsicher. »Ich verpasse ja die ganze Diskussion!«
»Ein paar bescheuerte, prätentiöse Mittelklasseschabracken, die sich im Fernsehen selbst befriedigen, was soll man da schon verpassen?!«
Sie starrte ihn mit halb geöffnetem Mund an.
»Du spinnst wohl«, widersprach sie ihm. »Ganz Schweden würde in einer ewigen Kulturdämmerung versinken, wenn es diese Frauen nicht gäbe! Sie repräsentieren und formulieren unsere Kultur für uns, unser aktuelles Gesellschaftsbild!«
Er sah Eleonor an, die so formuliert, so repräsentiert war, machte auf dem Absatz kehrt, nahm seinen Mantel und ging hinaus.
Als Aida die Augen öffnete, wusste sie sofort, dass sie kein Fieber mehr hatte. Sie konnte wieder klar denken, alle Schmerzen waren verschwunden. Sie hatte Durst.
Die Frau saß neben ihr auf einem Hocker.
»Möchten Sie etwas trinken?«
Sie nickte, und die Frau reichte ihr ein Glas mit Apfelsaft. Aidas Hand zitterte, als sie das Getränk entgegennahm. Sie war noch sehr schwach.
»Wie fühlen Sie sich?«
Sie schluckte und nickte und sah sich um. Ein Krankenhauszimmer, ein etwas unangenehmes Gefühl im rechten Arm, ein Tropf.
Sie war nackt.
»Viel besser, danke.«
Die Frau stand vom Hocker auf und beugte sich über sie.
»Ich heiße Mia«, sagte die Frau. »Ich werde Ihnen helfen. Wir werden noch heute Nacht wieder von hier wegfahren, also versuchen Sie, sich so gut auszuruhen, wie es eben geht. Möchten Sie etwas essen, sind Sie hungrig?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Was ist das hier?«, fragte sie und schwenkte den rechten Arm.
»Intravenös verabreichte Antibiotika«, antwortete Mia. »Sie haben eine schwere beidseitige Lungenentzündung. Sie müssen die nächsten zehn Tage weiter Antibiotika nehmen.«
Aida schloss die Augen und fuhr sich mit der linken Hand über die Stirn.
»Wo bin ich?«, flüsterte sie.
»In einem Krankenhaus weit weg von Stockholm«, sagte Mia.
»Mein Mann und ich haben Sie hierher gefahren.«
»Bin ich hier sicher?«
»Vollkommen. Die Ärzte hier sind alte Freunde von mir. Sie sind nirgendwo registriert, und Ihr Krankenblatt nehmen wir mit, wenn wir fahren. Der Mann, der Sie verfolgt, wird Sie hier niemals finden.«
Aida blickte auf.
»Dann wissen Sie…?«
»Rebecka Björkstig hat es mir erzählt«, sagte Mia, beugte sich über sie und flüsterte: »Aida. Trauen Sie Rebecka nicht.«
TEIL 2
NOVEMBER
Kein Mensch ist frei von Schuld
Auch ich kann mich von den Konsequenzen meines Tuns nicht freisprechen.
Die Schuldgefühle sind jedoch im Verhältnis zur Verantwortung nicht korrekt verteilt. Wenn es darum geht, die
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