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Paradiessucher

Paradiessucher

Titel: Paradiessucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rena Dumont
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Lenko.«
    Allerdings ist da etwas faul, möchte ich schreien – sonst bin ich komplett verrückt, sonst habe ich mir eine Menge eingebildet!
    »Er redet von der großen Liebe, dabei fasst er sie nicht mal an.«
    »Trubi, sei still. Doch, doch, doch, er hat sie sicher sehr gern«, sage ich mit knirschenden Zähnen.
    »Niemals.«
    »Trubi, du darfst am Telefon nicht alles sagen, verstehst du?« Endlich schweigt sie.
    »Bitte grüß ihn von mir, häng es aber nicht an die große Glocke und … Trubi? Hallo? Hallo?«

ZURÜCK IN DIE WELT AN DER TANKSTELLE
    Die Chefin unterbricht die Verbindung mit ihrem fetten Finger und sagt etwas auf Deutsch, von dem ich nur ein einziges Wort verstehe: »Limit«.
    Ich gebe ihr das Geld, sie zählt nach, öffnet die Tür und verabschiedet sich von mir. Ich stehe eine Weile hinter der Tür und sortiere meine Gedanken. Mein Freund ist selbstverständlich nur mit der Kuh zusammen, um ein Alibi für die Polizei zu haben. Die dämliche Trubka peilt aber auch gar nichts. Trotzdem bleibt mir die Spucke weg, wenn ich daran denke, dass er sie möglicherweise sympathisch findet, sie berührt, mit ihr ins Kino geht, sie seiner Clique vorstellt. Eine grässliche Vorstellung. Ist das verflucht.
    Die beste Freundin hasst mich, weil ich ihr durch meine Idiotie die Zukunft versaut habe, mein geliebter Freund hat eine andere, weil er sonst die Bullen am Hals hat, und ich kann mir in der Esso-Tankstelle nicht mal mehr einen Kaugummi leisten, weil ich meine Ersparnisse vertelefoniert habe. Die Welt verändert sich widerlich. Um 180 Grad dreht sie sich. Die Menschen zu Hause erkenne ich nicht wieder, und die Arschlöcher in der Pension habe ich noch nicht kennengelernt. Kommt noch. Die sind noch schlimmer. Egoistische Kuriositäten, die ausschließlich die eigene Haut retten wollen. Denen man nicht vertrauen kann. Deren Kampf ums Überleben, na ja, vielleicht ein zu hartes Wort, hungern muss keiner von uns, deren Kampf um Zugehörigkeit und Akzeptanz ihr einziger Lebensinhalt ist.
    Wir bekommen 60 DM. Pro Person. Dazu eine kostenfreie Unterkunft mit drei Mahlzeiten am Tag. Das ist mehr, als wir erwartet haben. Nicht im Traum hätte ich mir diesen Luxus vorgestellt.
    Mutter beschlagnahmt fünfzig Prozent meines Geldes. Ich gehe in die Welt, wage es, die Pension zu verlassen. Ich knöpfe mir die Esso-Tankstelle vor. Ihre leuchtenden Reklameschilder in der Nacht sind doch verlockend, ich kann ihnen nicht widerstehen. Ich möchte etwas kaufen, entscheide mich dann für eine Banalität. Mir ist klar, dass es der gesamten deutschen und tschechischen Bevölkerung sowie der Gruppe von Versprengten in unserer Pension niemals verständlich sein kann, wieso ich für vier Mark eine Petra -Zeitschrift kaufe. Das ist mir egal. Sie erfüllt alle meine Wünsche. Und während diese wunderbaren Gerüche, eine Seifen-Schokoladen-Mischung, wie Male in meinem Körper ihre Spuren hinterlassen, vergesse ich sogar, dass meine Mutter nichts isst und wie ein Gerippe aussieht, dass mein Freund sich gerade mit Markéta Frýbortová vergnügt und dass Drobina niemals studieren wird. In der Petra sehe ich die ganze Welt. Die Welt, in der auch ich leben will. Sie muss erst mal studiert, durchdiskutiert und analysiert werden. Alles, was sich in meinem Koffer befindet, ist der reinste Dreck, ich muss es schnell loswerden und Neues kaufen. So kann ich nicht aus dem Haus.
    Mama und ich betreten zum ersten Mal den Deutschen Supermarkt, gefolgt vom Rattenschwanz der Pension. Aldi. Die Nerven liegen blank. Wir bewegen uns in Grüppchen, so fühlen wir uns sicher, das wiederum verunsichert die vorübergehenden Passanten. Dass sie uns nicht mögen, spüre ich schon, verstehe es aber. Sie kennen uns nicht, wir sind fremd, sprechen in anderen Sprachen, bewegen uns in einem anderen Tempo, schließlich arbeiten wir nicht, haben Zeit zu schlendern, und das ist fremd für sie. Alles, was fremd und komisch ist, was einem nicht vertraut erscheint, ruft Angst und Skepsis hervor.
    Aldi ist großartig. Bis auf die unverpackten Lebensmittel, die auch ein Eskimo erkennen würde, wie Brot, Gemüse und Obst, sowie die Produkte, die ein eindeutiges Bild auf der Packung aufweisen, erkennen wir die meisten Sachen nicht, haben keine Ahnung, ob sie zum Essen, Trinken, Einseifen, Einschmieren, Lutschen oder Putzen sind. Ein Abenteuer.
    »Was sind diese behaarten Bällchen?«, frage ich meine Mutter. Berge liegen davon da.
    »Eine Zitronensorte vielleicht«, sagt

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