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Paragraf 301

Paragraf 301

Titel: Paragraf 301 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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seien. Denn seit damals gebe es ein Gesetz, wonach es nur rein türkische Familiennamen geben dürfe.
    »Ich hasse meinen Nachnamen. Aber mein Vorname, der ist in Ordnung. Und sie werden uns nicht kleinkriegen!«
    Die vierte Kontrolle. Das gleißende Licht der Scheinwerfer blendete sie. Hier weiß man nie, dachte Schlüter. Schon an der Abzweigung nach Xozat schaltete er herunter in den ersten Gang, langsam tuckerten sie auf die Soldaten zu.
    Das gleiche Prozedere wie die drei Mal zuvor. Aussteigen. Durchsuchung. Abmarsch mit Eskorte ins Schilderhaus, die Augen auf den Boden gerichtet, weil das grelle Licht blind machte. Eine Hitzewolke umgab den Bollerofen, auf dem der Tee kochte, den man ihnen nicht anbot. Sie füllten die Formulare aus. Clever schrieb sein überflüssiges Wolfgang Schäuble hin. Wozu begibt er sich unnütz in Gefahr?, dachte Schlüter. Konnte man seinen Protest nicht auf ungefährliche Art äußern?
    »You go!«, erklärte der Soldat hinter dem Schreibtisch.
    Die Tür flog auf und einer der Uniformierten stürzte herein, Clevers Spiritusflasche wie eine Trophäe in der Hand.
    »Sit down!!«
    Zögernd, unsicher setzten sie sich wieder.
    »What is that for?«
    Das sei Spiritus, erklärte Schlüter. Sie hätten ihn in Darende gekauft, zum Teekochen unterwegs. Das sei doch ganz normal, wie man denn sonst unterwegs Tee kochen solle?

    »This is weapon!«, behauptete der Schreibtischmann, den Zeigefinger auf die Flasche gerichtet. Seine Augen waren noch schmaler geworden.
    Schlüter widersprach.
    Der Soldat ließ eine lange Rede vom Stapel, die aus mindestens drei Sätzen bestand und bedeutete, dass man die Waffe konfiszieren werde. Er zog ein anderes Formular aus einer Schublade des Schreibtisches, füllte es umständlich aus und verlangte eine zweite Unterschrift, indem er es umdrehte und über den Tisch schob.
    Schlüter studierte das Papier. Der Text war auf Türkisch. Er verstand kein Wort und warf Clever einen Hilfe suchenden Seitenblick zu.
    »Ich kann hier kein Türkisch«, stellte Clever klar. »Ich bin doch nicht lebensmüde!«
    »Aber du …«
    »Meinst du etwa, wir können hier großartig verhandeln? Wenn wir das nicht unterschreiben, und zwar genau so, wie er es ausgefüllt hat, dann behalten die uns hier, klar?«
    Schlüter wollte Zeit gewinnen. Er nahm das Formular in die Hand und versuchte zu lesen. Aussichtslos.
    »Jetzt siehst du endlich mal, wie es unsereinem so geht, wenn wir auf’m Amt sind …«
    »Mein Wörterbuch …«
    »Mann, unterschreib schon! Scheiß auf das Formular! Dein Juristenhirn, vergiss endlich, was es dir sagt!!«
    Schlüter unterschrieb, der Soldat griff sich das Papier, stellte die Spiritusflasche darauf und sagte langsam: »You drive …«
    Sie gingen durch das weiße Licht der Scheinwerfer zu ihrem Wagen zurück und stiegen ein. Das Gepäck auf dem Rücksitz war durchwühlt worden, das Handschuhfach stand offen: Öztürk hatte recht gehabt. Das Maschinengewehrnest am Hang war nicht zu sehen. Sie schnallten sich an. Schlüter startete den Motor. Langsam setzte er den Kleinwagen in Fahrt.
    Sie umrundeten die erste Betonbarriere. Fuhren rechts hinüber. Dann die zweite, links hinüber. Dann wieder rechts hinüber. Und wieder links. Noch zwei, dann würden sie Gas geben können.
    Plötzlich zuckte ein neonblauer Blitz in Schlüters linken Augenwinkel, ein metallisches Kreischen in seinem Rücken füllte sein Bewusstsein bis zum Rand, trotzdem hörte er den Schrei an seinem Ohr und trat das Gaspedal durch. Der Motor des Fiat heulte auf, Schläge einer riesigen Peitsche brachten die Luft zum Zittern, es knirschte, zischte, Staub und Steine in der Luft, Schlüter kuppelte, erzwang den zweiten Gang, trat das Gaspedal bis zum Boden durch, der Wagen machte einen Satz, stellte sich quer, knallte mit der hinteren Seite gegen die vorletzte Betonbarriere, was ihn wieder in Fahrtrichtung brachte, raste auf die letzte Barriere zu, Schlüter stemmte sich auf die Bremse, warf das Steuer herum, gab wieder Vollgas und riss die Handbremse hoch. Der Wagen schleuderte an der letzten Barriere vorbei und kam in volle Fahrt, den Berg hinab.
    »Gas!!! Gas!!!«, schrie Clever.

52.
    Sie rasten hinab zwischen Felswand und Abgrund. Serpentinen, schmale Kehren, hinunter in den dunklen Schlund der Schlucht.
    Ohne Rücksicht hobelte Schlüter den Wagen über die Schlaglöcher. Noch nie war er so gefahren. Der Wagen tanzte auf der schmalen Straße wie ein Ball hin und her.
    »Sie folgen uns!«,

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