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Paragraf 301

Paragraf 301

Titel: Paragraf 301 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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weitere einhunderttausend in westliche Teile der Türkei deportiert, mit dem Ziel, die Bevölkerung der Provinz auszurotten und ihre Kultur zu vernichten. Dieser Völkermord war für Adolf Hitler das logistische Vorbild für die Vernichtung der Juden Europas. Die Provinz Tunceli ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen. Der Bürgerkrieg endete 1999, flackert aber immer wieder auf und noch im Juli 2007 gab es – im Schatten der türkischen Angriffe im Irak – einen großen Militäreinsatz, an dem fünfzehntausend Soldaten beteiligt waren. Noch heute steht in jedem Dorf im Dersim das Militär.
    Seit Jahren plant Ankara, weite bewohnte Teile der Provinz durch ein Staudammprojekt unter Wasser zu setzen, damit den heiligen Fluss Munzur zu vernichten und den traumatisierten Nachkommen der Überlebenden des Völkermords für immer ihre Heimat zu nehmen. Die Politik der Türkisierung wird fortgesetzt mit anderen Mitteln.
    Der Brandanschlag auf das Hotel Madımak in der Stadt Sivas geschah am 2. Juli 1993 so, wie er geschildert wurde. Mehrere Täter flüchteten nach Deutschland, einer der Täter erhielt politisches Asyl in Deutschland. Die Ereignisse vor dem Hotel entsprechen den Feststellungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf, das die Auslieferung eines der Täter untersagt hat. Das Hotel Madımak sollte nach dem Wunsch der Aleviten in der Türkei eine Gedenkstätte werden. Es wurde aber als Hotel wieder aufgebaut und der Reisende kann in Zimmer 106 übernachten, aus dessen Fenster Veli Adaman dem Brand entkommen ist …
    Der türkische Schriftsteller Aziz Nesin (1915–1995) ist dem Brandanschlag mit knapper Not entkommen. Er ist in der Türkei einer der beliebtesten Schriftsteller. Seine Freisinnigkeit musste er mit zweihundert politischen Strafverfahren, zahllosen Verhaftungen und fünf Jahren Haft bezahlen. Aus seiner Feder stammt – neben vielen anderen – das Buch Surnâme, das der Einleitung zu diesem Buch die Überschrift gegeben hat. Surnâme hieß in osmanischer Zeit das Festgedicht zu Lob und Preis der Sultansfamilie.
    Die Rechtsprechung zum deutschen Asylrecht 1993–1995 ist in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts nachzulesen, abgedruckt in den entsprechenden Jahrgängen der Zeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt. Schlüters Hoffnung, diese Rechtsprechung würde sich ändern, ist noch unerfüllt. Immerhin wurde Heyder Cengi vom Verwaltungsgericht in Hemmstedt als asylberechtigt anerkannt, weil er mithilfe der von Clever und Schlüter gesammelten Aussagen eine persönlich gegen ihn gerichtete Verfolgung beweisen konnte.
    Was die Machenschaften des Oberkreisdirektors Dietrich Dieken, des Grafen Giselbert von Brunkhorst-Rothenfels und der Müllfirma Madaus betrifft – das könnte so oder ähnlich überall in Deutschland geschehen sein. Wer glaubt, so etwas hätte sich im Landkreis Stade ereignet, dem widerspreche ich hiermit ausdrücklich.
    Ich danke allen Menschen, die mir Informationen und Eindrücke verschafft haben, ohne die ich dieses Buch nicht hätte schreiben können, und ganz besonders:
    Herrn F., der mir von seinen Erlebnissen in der türkischen Haft berichtet hat.
    Meinem Kollegen, Herrn Rechtsanwalt Ali Ayman in Köln, der mir mit großem Vertrauen Zugang zu wichtigen Dokumenten verschafft hat.
    Herrn S. in Sivas, mit dem ich über den Brandanschlag in Sivas diskutiert und die Moschee Ulu Camii besichtigt habe.
    Herrn U. in Zürich, der mir vom Völkermord in der Provinz Dersim berichtet hat.
    Den Menschen in Dersim/Tunceli, die mir die Orte der Verbrechen gezeigt, mir von ihrem Alltag erzählt, mir ihre traurigen Lieder vorgesungen und mich mit ihrer Offenheit und Herzlichkeit überrascht haben.
    Posthum Dede Fırık in Ovacık/Tunceli für seinen Segen. Er ist im Juli 2007 im Alter von 106 Jahren gestorben.
    Den Menschen vom alevitischen Kulturzentrum in Hamburg-Rothenburgsort, die mir die alevitische Religion nahegebracht haben.
    Der Familie Ö. in Hamburg, die mir von ihren schrecklichen Erlebnissen im Dersim im Frühjahr 1938 berichtet haben.

    Und immer wieder Sıddık für die vielen Diskussionen über die Türkei und den Islam.

    Der berüchtigte Paragraf 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der diesem Buch den Namen gegeben hat, war vor 2005 in der Fassung des Paragrafen 159 gültig. Der Einfachheit halber habe ich die Vorschrift nur mit ihrem neuen Namen genannt. Der Paragraf ist vom türkischen Parlament im Mai 2008 geändert und angeblich entschärft worden. Alle Menschen- und

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