Paragraf 301
prostete Schlüter.
»Und die Liebe!«, prostete Christa.
»Und auf den Tee, das Zweitwichtigste im Leben!«
»Und auf Veli Adaman. Gott sei seiner Seele gnädig«, fügte Cengi hinzu.
Sie stießen reihum an und tranken.
Der Sommerabend war ein Flaneur, er schlenderte, eine Hand in der Tasche seines blauen Fracks, in der Tiefe des birkenbesäumten Hofweges und bei den Holunderbüschen umher. Ein lauer Wind rauschte in den Blättern der Bäume, die Sonne bestrich sie nur noch mit Zwielicht, denn sie wollte Feierabend machen.
»Für wen ist denn der Stuhl?«, fragte Heinsohn. Gleich links neben ihm, an der langen Seite, zwischen ihm und Clever, stand er, der freie Stuhl.
»Muss ich mich verzählt haben«, murmelte Cengi, sprang auf und stellte den Stuhl zur Seite.
»Prost«, sagte Heinsohn leise. »Auf die Gesundheit.« Er trank sein Glas leer und hielt es Clever zum Nachschenken hin. »Ich heiß Willi!«
»Und ich Paul!«
»Ich heiße Arthur.«
»Ich bin Christa.«
»Heyder.« Cengi schwenkte sein Teeglas. Er mochte keinen Schnaps.
»Zekiye bin ich.«
»Erich mein Name.«
»Peter, Prost.«
Schlüter nahm einen Schluck. »Sag mal, Willi, was ich die ganze Zeit schon wissen wollte: Wieso eigentlich hast du den Heyder letztes Jahr bei dir aufgenommen? Du wusstest doch, dass die Polizei ihn sucht, oder?«
Heinsohn nahm sich ein Stück Fladenbrot, riss es auseinander und bestrich es mit Hommus. »Das war mir«, Heinsohn räusperte sich, »das war mir egal.«
»Und warum hast du dich so für ihn eingesetzt? Ich weiß noch, als du bei mir das erste Mal im Büro warst, da war mir fast so, als wenn du selbst von der Polizei gesucht wirst und als wenn du selbst der Unschuldige gewesen wärst.«
»Tja«, machte Heinsohn, steckte das Brot in den Mund und tastete seine Jacke nach der Pfeife ab. »Tja, ich …« Er sah einen nach dem andern in der Runde an, als suche er Hilfe. Bei Havelack blieb sein Blick etwas länger hängen.
Dann hielt er Clever wieder sein Glas zum Nachschenken hin. Clever füllte das Glas. Heinsohn kippte den Inhalt in einem Zug hinunter.
»Das ist so gekommen«, begann er und räusperte sich die Kehle frei. »Das fing damit an, dass die Sache mit dem kleinen Lars passiert ist. Damals vor drei Jahren. Vor einer Woche vor drei Jahren. Genau gesagt, am 25. Juli 1992. Ich wollte Gras mähen …«
Der kleine Lars, das sei sein Enkel, der Sohn seiner Tochter Karina, knapp drei Jahre alt damals, ein blonder Knirps, so ein kleines Menschenkind, an dem schon alles dran ist, Arme und Beine, nur eben alles noch klein, mit dem man schon schnacken kann und der schon alles kann, aber der die Vernunft noch nicht hat, der sei immer auf dem Hof rumgeströöpt, wenn die Tochter zu Besuch war mit ihm, der kleine Lars war im Stall und zwischen den Kühen und auf der Weide und am Graben und vor dem Trecker und hinter dem Trecker und unter dem Hänger, wie solle man auf so einen aufpassen auf dem Hof, das sei doch gefährlich, ja, und dann sei er, Willi Heinsohn, auch mal böse geworden und habe geschimpft, wie man so schimpft mit kleinen Kindern, und »dann habe ich was gesagt, was ich nie hätte sagen dürfen, ich habe gesagt, er kriegt ’n Jack voll von mir, wenn er noch mal ohne Erlaubnis auf dem Hofplatz ist«. Und dann habe er, Willi Heinsohn, mähen wollen. Mit dem Kreiselmäher. Der auf dem Hof gestanden habe. Da sei er rückwärts mit dem Trecker ran. Unterlenker an, Oberlenker an, Zapfwelle angesteckt. Und dann …
»Ich hab die Maschine angehoben, mit der Hydraulik, nur so ein bisschen, hätte ich sie doch ganz hochgehoben, dann hätte ich ihn gesehen, er hatte sich unter der Schürze versteckt, ich hab ihn nicht gesehen …« Heinsohn verstummte.
Cengi war aufgestanden und hatte sich hinter seinen Chef gestellt. Er legte ihm beide Hände auf die Schultern und fragte leise: »Und dann?«
Heinsohn sank zusammen, als hätten Heyders Hände Gewichte. Er räusperte sich wieder und flüsterte kaum hörbar: »Sie hat ihn zerfetzt, die Maschine. Klein gehackt. Die Messer, sie sind so scharf. Ich hab nur einmal Vollgas gegeben, um zu probieren, ob alles läuft – er war …«
Heinsohn begann zu zittern, seine Schultern zuckten auf und ab, sein Gesicht verzerrte sich und dann weinte er, während Cengi ihn mit beiden Armen umfing und festhielt wie einen wahren Bruder. Die anderen schwiegen mit niedergeschlagenen Augen.
»Er war – sofort tot?«, flüsterte Havelack endlich.
Heinsohn nickte.
»Und
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