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Paragraf 301

Paragraf 301

Titel: Paragraf 301 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Eggers
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reinzuholen. Den Inhalt der Fässer hätte er sonst teuer entsorgen müssen. Den Flügel nehme ich übrigens selbst, habe ich alles mit Meschkat besprochen.«
    »Fürstliches Geschenk für eine Dame von Format!«, bestätigte der Alte mit Öl in der Stimme und betrat die Bibliothek.

    Veli Adaman stand vor ihm, mit seinem Buch unter dem Arm, einer kleinen Verbeugung und einem angedeuteten Lächeln im Gesicht.
    Giselbert von Brunkhorst-Rothenfels zuckte zurück, wie von einer Giftschlange gebissen: »Was machst du denn hier, Achmed?!«, zischte er und wollte den anderen Mann daran hindern, den Raum zu betreten, aber es war schon zu spät, weil der schon neben ihm stand, mit offenem Mund.
    »Geh!«, fauchte von Rothenfels dem Jüngeren zu. »Go!! He schall di nich sehn!« Packte ihn an der Schulter und schob ihn fort.
    »Was hast du gehört, Achmed?«, fragte Rothenfels scharf, als sein Begleiter die Bibliothek verlassen hatte, breitbeinig und mit verschränkten Armen im Durchgang stehend.
    »Ich lesen. Hier«, antwortete Adaman und zog das Buch unter seinem linken Arm hervor. »Türkisch Buch. Möchte haben. Türkisch Buch.« Er wollte an dem Mann vorbei.
    »Halt!!«, rief der Adlige und breitete seine Arme aus. »Beantworte meine Frage!«
    »Oh, ich verstehen, Sie haben Bücher gesagt, Orient, ich glaube. Hier – arabische Bücher auch! Viel Bücher!« Adaman drehte sich zweimal im Kreis, den Schatz in seiner ausgestreckten Rechten.
    »Wie kommst du hier eigentlich rein, mitten in der Nacht?«, wollte Rothenfels wissen. Der Zorn entblößte sein aristokratisches Gesicht. Es war nackt und böse.
    Adaman hielt inne und ging zum Fenster, wo noch der Stuhl stand und stieg hinauf. Er zeigte nach oben und sagte: »Ganz oben – arabisch Bücher! Türkisch Bücher!«
    Giselbert von Brunkhorst-Rothenfels war Adaman gefolgt. Der sah ihm eine Sekunde von oben auf die schütteren Haare, dann stieg er bedächtig vom Stuhl, packte ihn an der Lehne, verstellte damit Rothenfels den Weg und sprang fort. Rothenfels versuchte, den Flüchtenden an der Jacke zu halten, stolperte aber über den umstürzenden Stuhl, und schon hatte Adaman den Durchgang erreicht und stürmte in die Halle.

    »Dietrich, holl emm wiss!«, brüllte Rothenfels hinterher.
    Aber Dietrich konnte Adaman nicht festhalten, weil er das Comptoir, in dem einst die Gräfin in ihrem Löwenkopfsessel zu sitzen pflegte, schon verlassen hatte, um sich im Empfangssaal in die Ecke neben die Fenster zu drücken, mit abgewandtem Gesicht, um nicht erkannt zu werden. Adaman umrundete den Kachelofen, riss die Tür zum Keller auf, schaltete seine Taschenlampe ein und hastete hinunter. Er stieß die Außentür auf, die Herren hatten sie nicht abgeschlossen, und warf sie hinter sich zu.
    Fortlaufen oder abschließen? Er ließ das Buch fallen und fummelte hektisch den Schlüssel aus seiner Tasche. Richtete die Taschenlampe auf das Schloss. Ein Schlüssel steckte. Er drehte ihn um.
    Sein Verfolger prallte von innen gegen das Metall. Veli Adaman hörte Flüche und hektische Schritte, die sich entfernten. Er löschte seine Lampe. Sie würden eine Minute brauchen. Mindestens. Wenn sie einen Schlüssel für den Haupteingang hatten, der sicher abgeschlossen war.
    Veli Adaman, den Freiherr von Brunkhorst-Rothenfels Achmed genannt hatte, sah sich um: Der Mond war fort. Er hob das Buch auf und sprang die wenigen Schritte zum Wald, in dessen nächtlicher Schwärze er verschwand, ohne Spuren zu hinterlassen. Er würde den gleichen Weg zurück nehmen. Sie würden ihn nicht kriegen.
    No kıtab yê mıno. Dieses Buch ist meins.
    Veli Adamans leises Lachen kollerte durch den steilen Wald. Er zündete sich eine Zigarette an und flüsterte: »Xatere semah!«

16.
    Es ging hauptsächlich um das Klavier. Oder den Flügel, wie sie das Instrument nannte. Clever kannte sich mit derlei Dingen nicht aus. Jedenfalls war es ein schweres schwarzes dreieckiges Ungetüm, das genauso aussah wie das, welches sie vor ein paar Tagen aus dem Schloss geholt hatten. Komischer Zufall. Das Instrument stand im Wohnzimmer, so nannte Anna Dieken den Saal, der eine breite Fensterfront zum dunklen Garten hatte. Die Jalousien waren heruntergelassen. Die Welt war weit weg und ihre Stimmen klangen merkwürdig laut in dem großen Haus.
    »Diesen Flügel hat mir mein Mann zu Weihnachten geschenkt«, sagte Anna Diecken, als sie davorstanden. »Wir haben ihn vorgestern erst gekriegt. Die Lieferzeit …«
    Sie klappte den Deckel auf,

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