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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Döhring die kleinen, durchsichtigen Unterhosen gekauft, die er seither trug. Genauer, er hatte die ersten zwei gekauft, die lilafarbene und die schwefelgelbe.
    Später kehrte er noch mehrmals in das Geschäft zurück, um eine türkisblaue, eine weiße, zwei verschieden rote, eine schwarze, eine purpurne und sogar eine silbrige zu erwerben. Obwohl sie nicht billig waren. Es hätte ihm leidgetan, alle die anderen Farben dortzulassen. Das wurde zu einer rätselhaften Leidenschaft, die er vor sich selbst verheimlichte.
    Schon beim ersten Mal hätte er am liebsten eine puderrosa Unterhose gekauft, aber das wagte er auch später nicht. Es gab Farben, die er sich verbot.
    Hätte er sie gekauft, hätte er seine Haut auswechseln können.
    Gerade das wagte er nicht, stattdessen kaufte er die anderen.
    Vielleicht war er ursprünglich gar nicht aus dem Haus gegangen, um etwas zu kaufen. Unterhosen brauchte er schon gar nicht. Auch sonst kaufte er nichts für sich, nicht einmal bei den Schuhkäufen pflegte er dabei zu sein. Seine Stiefmutter liebte es, bei den großen Ausverkäufen für ihn einzukaufen, und von der Tante bekam er die besseren Stücke. Das war eine Art vernünftige Arbeitsteilung zwischen den beiden Frauen und zugleich ein heimlicher Wettstreit. Die eine trumpfte mit unerbittlicher Sparsamkeit auf, die andere mit Großzügigkeit. Er brauchte keinen Finger zu rühren, damit seine Garderobe zusammenkam, und er interessierte sich auch nicht für solche Dinge, war das Umsorgtwerden von den beiden Frauen schon völlig gewohnt. Vielleicht machte ihn gerade das so hilflos, vielleicht ließ er sich deshalb von einer dritten verführen.
    Auf der verregneten Straße, zwischen den mit Schirmen hastenden Menschen fiel ihm ein, dass er eine etwas anständigere Badehose brauchte. Es fällt einem ja so einiges ein, was man zum Glück auch gleich wieder vergisst.
    Irgendwo hinter dem Wittenbergplatz stieß er auf das Geschäft, im Schaufenster lagen in Sand eingesackte Torsos, weggerollte Köpfe.
    Das Fräulein erriet mit gutem Gespür den Provinzler in ihm, kaum war er eingetreten. Mit ausgefeilter Schmeichelstimme ließ sie für ihn schon an der Tür ihren Spruch los, aber ja, ganz hervorragende kleine Badehosen, selbstverständlich, und sie habe da auch gleich ein sehr günstiges Angebot. Wenn sie den Herrn bitten dürfe, ihr zu folgen. Man denke, was ist schon Unterwäsche, nichts, ein kleines Nichts, ein Fetzen Kunststoff, und doch müssen die einfachsten Dinge am feinsten gearbeitet sein.
    Döhring ahnte in dem Moment nicht, dass er sich ins teuerste Wäschegeschäft der Stadt verirrt hatte, und er wusste auch nicht, dass an solchen Orten Wäsche eher nur für ganz spezielle Bedürfnisse verkauft wird, in deren Befriedigung man sehr weit geht, geradezu grenzenlos weit.
    Wir haben da nämlich ein ganz neues Material, erklärte das Fräulein gleichmäßig und hingerissen, während sie ihn rasch und zielstrebig ins geräumige, geheimnisvolle Innere des Geschäfts führte. Gewissermaßen ein lebender, atmender Kunststoff, sozusagen der wahr gewordene Traum der heutigen Zeit, wenn sie das so sagen dürfe. Der erste Kunststoff, der die Vorzüge der natürlichen Materialien mit den Vorzügen der synthetischen Materialien glücklich vereint.
    Die große Jahrhunderterfindung, die ihre Existenz natürlich vielen früheren wissenschaftlichen Erkenntnissen verdanke. Der Stoff sei dünn, leicht zu waschen, schweißhemmend, sofort trocken, ja, er trockne gleich am Körper von der Körperwärme, die Haut könne trotzdem atmen, und da er sich wie Samt oder Seide anfühle, reibe er nie auf. Das Stück sei in allen Farben der Farbenskala erhältlich, und der Schnitt so hübsch und ausgeklügelt, dass man es je nach Laune als Bade- oder als Unterhose tragen könne, was unglaublich bequem sei, einen sozusagen von der letzten Unbequemlichkeit befreie, ja, von der letzten Hemmung, die bisher mangels dieses Stoffs von keinem Modeschöpfer habe beseitigt werden können.
    Ein richtiger kleiner Volltreffer. Ein so poröser, atmender, elastischer und seidiger Stoff, dass er sich gleichsam als zweite Haut an die Figur schmiegt.
    Sie dürfe ruhig behaupten, dieser Stoff wirke am Körper Wunder.
    Die Hose weite sich nicht aus, verliere die Form nicht, ebenso wenig wie die Farbe. Man trage sie wie die eigene Epidermis und komme doch nie in die unangenehme Lage, sich nicht jederzeit, vor wem auch immer, ausziehen zu können.
    Das Fräulein hielt einen

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