Parallelgeschichten
überschritten hatte. Die Finger um seinen steifen Schwanz gelegt, schob er die gespannte, schnabelartig vorstehende Haut einmal ein wenig vor, zog sie dann zurück, langsam, wie überrascht von jeder Geste, während er mit der anderen Hand zärtlich seine weit hinunterhängenden, schweren Hoden anhob und sie, wie jemand, der sich selbst einen Streich spielt, ein-, zweimal packte und zusammenpresste, um sich Schmerzen zu bereiten; sie rutschten leicht übereinander hinweg. Hinter dem Schnabel der Vorhaut erschien der lilafarbene, stumpfe Kopf der Eichel mit dem tiefsitzenden, geweiteten großen Auge der Harnröhre, aber nicht ganz, nicht einmal halb, nur ein wenig, verschwand dann wieder zwischen den Hautfalten, im Trichter seiner vorsichtigen Finger.
Gyöngyvér wollte die Vorgänge mit ihrem Blick anhalten oder sie zur Befriedigung führen.
Doch alles, was zwischen ihrem von Begehren, Erinnerung, Bedürfnis und Wollen aufgewühlten und gewissermaßen auf ein paralleles Funktionieren umgestellten Geist und ihrem sich vom Blutandrang vordrängenden Kitzler und den in betonten und unbetonten Takten zuckenden Muskeln ihrer Scheide überhaupt noch Platz hatte, Aufmerksamkeit, Zellteilung, Atmung, Blutdruck, Säurenproduktion, Darmkontraktionen und Extrasystolie des Herzens, konzentrierte sich auf die Frage, ob die Eichel noch einmal zum Vorschein kommen und ob sie sie ganz sehen würde oder nicht. Für sie selbst blieb in der Szene nur die schmähliche Rolle der Zuschauerin, die auf die Replik der hinter dem fremden Körper versunkenen Person wartete.
Nicht und wieder nicht, die Eichel zeichnete sich unter der Haut deutlich ab, aber er entblößte sie nicht.
Sie schämte sich und wurde wütend und eifersüchtig auf Ágosts Hände, die sie ihr vorenthielten, eifersüchtig auf die behutsamen, liebevollen Bewegungen, mit denen er seiner inneren Geschichte folgte, ohne je aus ihr herauszublicken. Sogar auf seine Mutter wurde sie eifersüchtig, der er mit seinen Spindelfingern, auf seinen Vater, dem er mit der etwas vorstehenden, gespannten Bauchwand glich; eifersüchtig auf diese ganze verdammte jüdische Bagage. Jemand in ihr tobte. Doch der trotzig gesenkte Kopf des Schwanzes kam erst recht nicht mehr zum Vorschein. Er zeigte ihn nicht. Er spielte nur, lockte nur. Das war ganz er, daran erkannte sie ihn, ja, das war ganz er. Jemand, der Wiederholungen aus dem Weg geht, dem es nicht um gleichmäßige Beschleunigung geht, weil er die Monotonie des Lebens hasst und deshalb sich und anderen die Höhepunkte verweigert.
Für ihn ist die Verweigerung der Höhepunkt. Zu dem es keinen Weg gibt. Dann gibt es auch zu ihm keinen.
Aber genau das zog sie ja bei diesem Mann an, dass auch er so allein und unerreichbar war. Nur war es bei ihm anders, ihre inneren Rhythmen stimmten nicht überein. Das hatte sie endlich begriffen, auch wenn sie es nicht formulierte, sie verstand es mit dem Gehör, begriff mit dem Rhythmusgefühl den synkopierten Rhythmus des anderen.
Ebenso wenig überlegte sie, ob sie über ihren eigenen Körper streichen sollte. Unbeholfen an sich selbst wiederholen, was der Mann mit sich tat. Mit unsicheren, nervösen, verschämten Fingern strich sie über die an ihrem Körper haftende silbergraue Seide. Was ganz angenehm war. Nicht so sehr wegen der Berührung, sondern weil es ihre Beziehung wieder zum Leben erweckte. Was also doch bedeutete, dass ihr innerer Rhythmus irgendwann irgendwie übereingestimmt hatte.
Es beschwor die berauschenden Tage, die zögernden Nächte der ersten Wochen herauf. Indem sie am eigenen Körper die Bewegung des Mannes wiederholte, machte sie das Fehlen der gegenseitigen Berührung wett.
Sie machte es mit dem eigenen Körpergefühl wett, was ihr Schauen ungehemmter und sie selbstsicherer machte. Wenigstens wurde sie das unnötige Schamgefühl los. Jawohl, diesen Schwanz schaute sie sich jetzt einmal gründlich an. Sie hatte bis dahin ja schon zur Genüge welche gesehen, sich aber doch nie erlaubt, den Schwanz so unverhüllt zu betrachten, zu beobachten, wie er funktionierte und wie er ins Zentrum ihres Bewusstseins rückte. Schließlich wird man ja dazu erzogen, sich vor den Augen anderer nicht zu berühren und nicht zu gucken. So verlegen war sie noch, dass ihre Nägel am Spitzenbesatz ein wenig hängen blieben. Der Spitzenbesatz verhüllte kaum ihr Geschlecht. Aber endlich durfte sie den Schwanz ohne jede Scham anschauen, und jetzt sah sie etwas ganz anderes als das, was ihr durch
Weitere Kostenlose Bücher