Parallelgeschichten
Scheide überströmte, fließe zwischen ihren Schamlippen heraus. In der Tiefe ihres Körpers, in ihrer Gebärmutter, in ihrem Hirn, an ihren nackten Schultern, ihren Armen, ihren Brüsten, die von der einen feinen Schauer verursachenden, kühlen Seide bedeckt waren, mit jeder geschwollenen Brustwarze sehnte sie sich danach, endlich loslassen zu dürfen und zuerst mit der einen, dann mit der anderen Brustwarze die gespannten Knochen und harten Kissen seines Brustkastens zu verstehen, mit dem Bauch seinen Bauch zu begreifen, während ihre nass verfließenden Schamlippen von den Kissen seiner Handballen geöffnet würden.
Sie wusste, sie würde ihn nicht erreichen, nein. Der will mich nicht. Ihre Phantasie riss sie zwischen physischen Möglichkeiten und der vom nüchternen Verstand diktierten Möglichkeit von Unmöglichkeiten hin und her. Der will mich nicht mehr. Und alle ihre eindeutigen Wünsche waren, wie sie sehen konnte, vergeblich, denn der Mann war ja mit nichts anderem beschäftigt als mit seinem gekrümmten Schwanz, der sich, lang geworden und dick angeschwollen, erschreckend aufgerichtet hatte, nur damit. Es gab nichts anderes, nur dieses seine eigene Ausdehnung und Spannung genießende, hohle Stück Fleisch und die entsprechenden Verbote und Verlockungen in beiden unbeteiligten Hirnen.
Warum es barfuß besser war, hätte sie nicht sagen können, aber sie fragte auch nicht danach. Schleuderte beide Pantoffeln von sich, sie flogen, schlugen auf, der eine hier, der andere weiter weg.
Am nächsten Morgen fand sie sie nicht mehr.
Mit einem einzigen Ruck befreite sie sich von ihrem Morgenrock. Sie schlüpfte heraus, glitt heraus, dachte nichts.
Auch am nächsten Tag, als sie in die Ecke des Sitzes zurückgezogen zerstreut durch das regennasse Taxifenster hinausblickte, sah sie immer noch nichts als den halb stehenden, gekrümmten Schwanz, den zu berühren ihr verboten war. Als sähe sie ihn zum ersten Mal, und auch alle anderen, die sie je gesehen hatte, die Männer brauchte es dazu gar nicht. Das fesselte ihre Aufmerksamkeit, so sehr, als ginge sie auf einen staubigen Hof zurück, in ihrer frühen Kindheit. Und der Geruch des nassen Gummibelags verbreitete sich, stieg auf wie ein Wink, ein Gleichnis für den Geruch des Mannes. Die Pillen, die sie eben zwischen den Rippen des Belags herausgeklaubt hatte, hielt sie in der hohlen Hand. Sie sah Ágosts Hand an seinem Schwanz, die vorsichtigen, spindelförmigen Finger seiner Mutter, nicht aber die dunkel gewordenen Fassaden der Häuser, die in der starken Kurve des Margaretenrings an ihr vorüberglitten.
In dieses im Schatten der Gebäude liegende Straßenstück konnte der Sturm nicht so stark hineinfahren. Frau Erna plauderte mit dem Taxichauffeur über irgendetwas, doch auch ihre Stimmen drangen nur von fern zu ihr, aus einer imaginären, unfassbaren und feindlichen Welt. In die hinüber ihre Frage hätte dringen müssen, was sie mit den Pillen tun solle. Deutlicher hörte sie, wie die silbrig aufglänzende Seide im nächtlichen Lampenlicht sacht von ihrem Körper glitt und auf den Boden zu ihren Füßen fiel. Als würde vor ihr höflich eine Tür geöffnet, von der sie bis dahin nichts gewusst hatte. Sie hatte nicht gewusst, dass dahinter noch so ein großer, dunkler Raum folgte, hinter dem sich ein weiterer, hellerer befand, und noch ein dritter, noch dunklerer, ohne Ende.
Mein Gott, ich brauche ja gar keine Angst zu haben.
Sie musste barfuß da hindurch.
Sie hatte immer noch das kurze, ärmellose, zwischen ihren Brüsten in einem tiefen Keil ausgeschnittene Nachthemd an, von derselben Farbe wie der Morgenrock, das wegen der elektrostatischen Aufladung an ihrem Körper haftete wie eine Schleimhaut. Sie überlegte gar nicht, ob sie es ausziehen solle. Als würde sie mit ihm die letzten Reste ihrer Selbstachtung bewahren, denn ganz ausliefern durfte sie sich ja doch nicht. Jemandem, der sie nicht begehrt, nicht einmal ansieht. Jemandem, der sich ausschließlich mit sich selbst beschäftigt, ja, nicht einmal mit sich selbst, sondern mit seinem Schwanz. Aus dieser Deckung heraus machte sie ihm Vorwürfe. Das immerhin verstehe ich jetzt. Auch wenn sie diese kühle Haut gern von ihrem fiebrigen Körper gerissen hätte. Es darf doch nicht wahr sein, dass die Männer so sind. Schon deshalb nicht, weil dieser Mann, der sowieso kaum Hemmungen hatte und seinen fatalen Egoismus höchstens mit Pflichtbewusstsein ein wenig dämpfte, jetzt die magische Grenze bereits
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