Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
Vom Netzwerk:
den Kopf ging. Was sie sah, hatte keine große Bedeutung, es gehörte nicht zu ihrem Denken, im Mittelpunkt der Welt sah sie Dinge, die sie nicht verstand und nicht verstehen konnte.
    Ágost riss grob und völlig unerwartet am Schnabel der Vorhaut und ließ sie dann los, ließ auch mit der anderen Hand seine gequälten Hoden los. Es war nicht vorauszusehen, was er im nächsten Augenblick tun würde. Der Schwanz zitterte steif in der Luft. Wollte sich noch heben, erreichte aber wegen seiner Krümmung nur gerade die Horizontale. Gyöngyvér fühlte fast, erlebte fast, wie gespannt das unter der Vorhaut verborgene Bändchen war, wie es ihn waagerecht zurückhielt, ihn sich nicht aufrichten ließ. An der Zungenspitze fühlte sie es, spürte es in den Muskeln ihrer Scheide. Der Schwanz sah aus, als streckte er seinen gesenkten, angespannten, großen dunklen Kopf angriffsbereit vor; ein bisschen komisch. Eine verstockte Wut, die nicht unverständlich war, schließlich war auch er angespannt vom Bedürfnis, sich auszutoben. Sie sah an ihm die Physiologie ihrer eigenen körperlichen Verzückung. Auch das konnte sie für sich nicht formulieren, dafür war ihre Raserei zu stark. Sie sah und fühlte, wie der gesenkte Kopf des in seiner stumpfen Wut tobenden Schwanzes ihren geschwollenen Kitzler erreichte und wie der hochgestülpte Rand der in ihre Scheide eindringenden Eichel, weil ihre Schamlippen endlich die Vorhaut zurückkrempelten, die Hautfalte auf dem vorstehenden Kitzler hinaufschoben und wieder zurückholten. Sie durchschaute diese einfachen Entsprechungen. Damit aber war es mit der ganzen Selbstvergessenheit vorbei, während sie auch mit diesem Wissen nichts anfangen konnte.
    Aus den sich öffnenden Türen strömte ihr mit der kühlen, abgestandenen Luft eine andere Art von Bewusstheitszustand entgegen.
    Wenn sie die Läden an den hofseitigen Fenstern schlossen und der Luftzug aufhörte, schien sich der schwere, rätselhafte Geruch des Alters zu verbreiten.
    Die Strömung dieses andersartigen, bis dahin kaum gekannten Zustands entzückte sie. Etwas Ähnliches empfand sie, wenn sie sich beim Singen mit ihrer Stimme überzeugte. Wenn sie die Methode oder die Technik des Heraussingens nicht lange suchen musste, sondern die vorgeschriebenen Töne eine Person mit heraussangen, in der sie überrascht sich selbst erkannte. Obwohl sie sich mit ihrem Denken immer noch hartnäckig Gewalt antat. Der Sänger hört sein eigenes Singen nicht, spürt aber genau, was die anderen als Ton hören. Sie behinderte gewissermaßen ihren Atem, hielt ihn zurück, ließ ihn nicht los; fühlte sich natürlich unbehaglich. Als gäbe es einen Befehl, demgemäß ihr Atem sich nur mit dem Atem eines anderen Menschen vermischen durfte. Lust und Genuss durften nicht für sich sein, waren dann nicht erlaubt. Das war der Befehl, bei dem sie mit ihrem Atem steckenblieb, aber was sie sah und betrachtete und tat, konnte sie nicht mehr kontrollieren. Gerade deshalb war es nicht aufzuhalten, weil es, um sich im anderen zu spiegeln, nicht genügte, mit zwei gestreckten Fingern über ihr Schamhaar zu fahren und die Schamlippen öffnend hineinzuschlüpfen. Mit ihrem neuen Wissen sah sie, dass das bloß Technik war und ihren Bewegungen genau das fehlte, was beim anderen so überzeugend und überwältigend war; das Fürsichsein, die raffinierte und selbstvergessene Eleganz der Egozentrik.
    Will sein wie der andere und scheitert mit ihrem ersten unbeholfenen Versuch. Vielleicht muss man gar nicht auf ihn zugehen, sondern von ihm weg. Sie fand auch die Feuchtigkeit nicht mehr, die sie vorhin noch so reichlich gespürt hatte.
    Ich bin trocken, völlig trocken.
    Gyöngyvér hatte keine besonders schönen Hände, weshalb sie sich von Frauen mit schönen Händen angezogen fühlte und sie beneidete. Ihre Finger waren relativ lang, und um ihre Wirkung zu steigern, ließ sie die Nägel maßlos wachsen. Was drinlag, weil sie nicht brüchig waren, sondern stark, gesund und schön gewölbt und auch den Maniküren Freude bereitete. Bloß kam sie, wenn die Aufsicht im Kindergarten erschien und es bemerkte, nicht ohne Schelte und böse Vermerke weg.
    Sie ließ sie feilen, lackieren, sorgfältig pflegen, damit sie nicht zu gefährlichen Waffen wurden. Die Kinder mochten ihre Nägel besonders, vor allem die kleinen Mädchen. Aber nicht nur im Kindergarten musste sie sich damit vorsichtig bewegen, was allen ihren Gesten etwas Manieriertes gab. Es genügte, den Männern

Weitere Kostenlose Bücher