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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Körper des anderen. Und lachten laut auf, glücklich.
    Wieso, wer ist gestorben.
    Weiß nicht. Alle. Niemand.
    Ihr Lachen hätte sie immer stärker mitgerissen, wenn sie es sich nicht gegenseitig in den Mund zurückgedrückt hätten.
    Jetzt halt schon durch, bis sie geht.
    Ihre Zungen glitten ineinander, sie stießen das Lachen tief hinunter. Anstelle der einen hartnäckigen Lust hatten sie sich eine andere verschafft. Sie brauchten nichts zu befürchten, sie durften sicher sein, sie waren ineinander verschlungen, untrennbar, und das war wie eine unerwartete, unverhoffte, angenehme Zugabe. Man erwischte sie nicht. Die Zungen umarmten sich, streckten sich hinunter, tanzten, drückten sich, verursachten Übelkeit. Sie würgten, tauchten unter und wurden plötzlich gewahr, dass da schon ein scharfer Schmerz war und unter ihnen das Bett frech, unanständig und rhythmisch zitterte, ächzte und quietschte.
    Sie geht weg, ich weiß es, weiß es, dass sie gleich geht.
    Und wieder hielten sie sich ein wenig zurück.
    Auch wenn sie nicht wussten, wobei genau, aber sie taten es, miteinander, mit ihrem Atmen. Das geht ja doch wirklich nicht. Wirklich nicht. Nur, der feste Entschluss verstärkte das Gefühl, es nahm überhand, ihre Körper konnten sich von ihrem Willen immer selbständiger machen. So etwas hatte keiner von ihnen je erlebt.
    Alles fällt und stürzt und bricht ein und rennt; rennt, obwohl sie nüchterner als nüchtern daliegen, gesittet warten, bis die Alte endlich verschwindet und sie endlich ihre Nüchternheit aufgeben können.
    Vielleicht ist sie schon weg. Nein, sie kramt noch da herum.
    O Gott, die Schreckschraube geht nicht weg, die horcht.
    Nein, ich kenne sie, so was tut die nicht.
    Sie flüsterten und lauschten.
    Sie sucht etwas, findet etwas nicht.
    Darüber lachten sie wieder.
    Es war nicht zu sagen, welche ihrer Welten die kältere, welche die dichtere war. Die Welt, die von ihren weiten, starren und von der Nähe des anderen Gesichts geblendeten Blicken aufgenommen wurde, diese nahe Welt, in der die nackten, von den Lichtern der Dämmerung eingefärbten Wände einmal näher, einmal weiter rückten, oder die Welt, in der ihnen die unpersönlichen Handlungen kopulierender Männchen und Weibchen von den Zehen bis zu den Haarspitzen kalt vorgeführt und dann auch unbarmherzig an ihnen vollzogen wurden.
    Gewiss gibt es keine vollkommene Symmetrie, es wäre eine wahnwitzige, eitle Utopie, darauf zu hoffen, dass sie existiert, aber in diesem Moment kamen sie ihr wahrscheinlich nahe, indem sie sich sogar mit der Verschiedenheit ihrer Vorstellungen harmonisch ergänzten. Noch nicht, jetzt noch nicht, im nächsten Augenblick erst würden die letzten Hindernisse vor ihnen beseitigt. Sie schoben sie vor sich her und rollten mit ihnen weiter.
    Ihre Körper hatten sich nicht verrückt und lagen doch nicht so wie vorher.
    Der Mann rutschte ein ganz klein wenig heraus, als täte er gar nichts, als verheimlichte er es nicht nur vor der nebenan kramenden Alten, sondern auch vor sich selbst und vor der Frau, und nach einer kurzen Zeit des Wartens, eigentlich nur ein Überraschtsein, rutschte er wieder zurück, und so scharf waren diese zwei aufeinanderfolgenden Empfindungen, dass er wieder alles genau überlegen musste. Doch die Gegenbewegungen und Unbedachtheiten der Frau ließen das nicht recht zu.
    Er aber musste es wiederholen.
    Wieder und wieder.
    Und doch konnte es sich nicht wiederholen, weil die Frau entsprechend stärker lockte, auf eine willkürliche Art unvorsichtig, so dass die Sache immer intensiver wurde. Töne entstanden nicht dabei, von so wenig konnten keine entstehen. Höchstens, dass sie das Schmatzgeräusch des Stoßens und Saugens hörten, das Platschen der schleimigen Absonderung, das Aufeinanderklatschen der Bauchwände. Doch der Knoten ihres ineinander verschlungenen Hörens und Sehens hatte sich gelockert. Aus Überraschung über sich selbst waren gewissermaßen ihre Lider fixiert, ihre Wimpern angeklebt. Sie schauten von anderswoher.
    Die Töne entfernten sich, glitten hinter den Horizont.
    Das Gesicht in Ekstase ist erschreckend, und ohne Befremdung oder Ekel erträgt man es nur, wenn man in der Verzerrung des anderen Gesichts das Spiegelbild der eigenen Gier und Selbstsucht erblickt. Man tritt in einen Spiegelgang. Man erblickt das eigene Gesicht, auch wenn man meint, es sei stärker, entschlossener, oder im Gegenteil schwächer, zärtlicher. Gleichzeitig wurden ihre inneren Bilder so stark,

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