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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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verschluckt. Wie hätte er verstehen sollen, was konnte er verstehen, er hatte ja noch nie einen Erdrutsch oder eine Lawine gesehen. Was für beneidenswerte Vorstellungen von Gefahr hat doch ein Kind, dachte er. Er wusste nicht, wo er landen würde, wohin es ihn mitzog oder wie er von da nach Hause gelangen wollte. Ich werde zu Hause sein, hatte er gedacht, als die Erde unter ihm in Bewegung geriet und er gar nicht begriff, wie das zuging. Sein Denken hüpfte erschreckt herum, sein Körper hingegen übernahm das Ruder. Er packte das Kissen, aber in seinen Händen blieb das unsägliche Gefühl zurück, dass etwas zerfiel.
    Ich kann natürlich nur durchbrechen, wenn ich es zulasse.
    In Frau Szemzős Hand klirrte das Schlüsselbund, aber sie war wohl noch nicht einmal zur Tür hinaus.
    Er bewegte sich aufwärts über die Rippen der Scheide, und je höher er gelangte, um so größer wurde die Spannung, die er immer noch beherrschen musste.
    Er sah die grauen Steinstufen vor sich, über die er aus dem Internat geflohen war, die führten ihn. Wichtiger als die Stärke des Stoßes hatten ihm schon immer seine Sicherheit, seine Bestimmtheit geschienen, wichtiger, dass keine egoistische Absicht in ihm war, sondern eher eine Bereitschaft, was aber zur Bedingung hatte, dass er sah, in welchem Umfeld er sich bewegte und warum er es tat.
    Kritische Situationen erfordern die größte Umsicht.
    Umsicht ist aber ernüchternd.
    Diese mit der Zeit schartig gewordenen Stufen waren ziemlich hoch. Als zwänge er seinen harten Schwanz, die Scheidenwand nur gerade zu berühren, nur gerade zu streifen, als zöge er ihn zusammen, obwohl er alles ausfüllte, um am Ausgangs- und Endpunkt der Stöße noch besondere Akzente zu setzen. Die Stufen waren nicht ausgetreten, als hätte sie nie jemand benutzt, das war das Interessante an ihnen, vielmehr waren sie löcherig geworden. Die Zeit nagte eher, als dass sie abschliff. Er zitterte sich in die Scheide hinein, womit er nicht nur das Gefühl des Drinnenseins, sondern auch das Gefühl des Hartseins verdoppelte. Und er sah auch, dass er nicht ins Unendliche losziehen musste.
    Die Distanzen sind kurz.
    Nüchternen Blicks sah er ein glattes Dach, die letzte Stufe. Er signalisierte, jetzt mache ich mich auf, womit er jedem Stoß einen rituellen Akzent verlieh, ihn der Monotonie entriss. Und er signalisierte, ich könnte noch weiter gehen in dir, auch wenn es weiter nicht ging, es sei denn in der Vorstellung. Er hätte die Stufen sogar zählen können. Das Dach reichte in einen dunkelgrauen Himmel, berührte dicke Wolken, reglos. Und um keinen Fehler zu machen, diesen Stufen gerecht zu werden, zog er die Stöße noch ein wenig in die Länge und veränderte unerwartet ihre Geschwindigkeit.
    Grob krallten sie ihre schnappenden Lippen ineinander, was beide überraschte.
    Als Frau Szemző im sechsten Stock auf den dämmrigen Gang hinaustrat, rutschten sie an den Lippen des anderen ab, klammerten sich mit den Zähnen fest, bissen zu, um sich festzuhalten. Sie küssten sich, voll und glitschig, die Lippen verschoben sich über den Gaumen, als äßen sie sich auf der Flucht vor sich selbst hinauf, wo es nicht weiterging. Die beiden Leerräume klafften ineinander, klebten aneinander. Um nicht zu ersticken, mussten sie sich losreißen. Aber als Frau Dr. Szemző im stummen, von der Hitze des Tags stickigen Treppenhaus die glatte dunkle Eichenholztür hinter sich zuzog, brüllten sie im Dienstbotenzimmer schon aus vollem Hals.
    Die abweisenden Wände nahmen nichts in sich auf.
    Sie steckte rasch und ungeschickt den Schlüssel ins Schloss, das nervöse Doppelklicken hallte im gläsernen Bauch des Treppenhauses wider.
    Die Frau keuchte sich vom Jammern zum Schreien durch, immer höher, aber mit vollem Ton. So sehr, dass in ihrer Kehle etwas zu zerreißen drohte. Dann brach sie ab, begann wieder zu steigen, diesmal aus einer um etliches tieferen Tonlage, gedrungener, der Mann deckte es mit einem gleichmäßigen, flachen, endlosen Gebrüll zu; so ging das eine Weile, bis es zu einem Geheul wurde. Das war so stark, strömte von ihren Fußsohlen über den Bauch in ihren Brustkorb, sein Sperma schlug sie mit einem solchen Stoß, schleuderte sich gegen den geschwollenen Trichter ihrer Gebärmutter, dass sie wieder mit dem Kopf herumschlagen musste und ihre Tonkünste für einen Augenblick verstummten.
    Das zweite Hereinschwappen war am stärksten.
    Das dritte kam dann später, nach einer Pause, und glich die beiden

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