Parallelgeschichten
oder, wenn die Unterhaltung ins Deutsche wechselte, sein peinliches Gestammel und seine Unsitte, ständig die Artikel zu verwechseln, vor allem aber seine schmetternde Redeweise, mit der er die anderen abstieß oder gründlich ermüdete.
Wenn er in einem der ohnehin lärmigen Kaffeehäuser auftauchte, im Adler in der Újvilág-Straße, im Jagdhorn, wo er ausländische Blätter las, in der Kaffeehalle, wo er in dunklen politischen Angelegenheiten mit zwielichtigen Gestalten flüsterte oder an manchen Tagen, dank einer skandalösen Affäre, die ihn mit einer Dame der höheren Kreise in Verbindung brachte, in der luxuriösen Königin von England, dann zog er mit seiner stattlichen Figur und seiner ausgesuchten Kleidung sogleich und anhaltend die Aufmerksamkeit auf sich. Wer ihn kannte, machte schmeichelhafte oder auch bissige Bemerkungen, wer ihn nicht kannte, wollte unbedingt wissen, wer das sei.
In der Tür nahm ihm der Kellner aufmerksam den Spazierstock ab, was auf polizeiliche Vorschrift hin geschah, er hingegen zog mindestens ebenso zeremoniell Finger um Finger seine engen Wildlederhandschuhe aus, wobei er zerstreut und hochmütig den Blick in der Runde schweifen ließ. Man hätte ihn für einen berühmten ausländischen Künstler, einen fremden Aristokraten ansehen können, so wie man ja gleich sagt, was für ein schmucker Mann, der ist natürlich nicht von hier, der gehört nicht zu uns. Er nahm den Zylinder ab, überreichte auch den, erst daraufhin geleitete ihn der Kellner zu seinem Tisch oder zu der Tischrunde, die ihn erwartete.
Er hatte ein sicheres Auftreten, seine Bewegungen waren glatt und geschmeidig, ein empfindliches edles wildes Tier bewegte sich da zwischen den Tischen.
Der Zauber dauerte so lange, bis er sich auf einem Stuhl niederließ oder sich aus der weichen Tiefe eines Fauteuils herauslehnte und zu sprechen begann. Alles an ihm war wie die Finger seiner Hände, fein, länglich, knochig, wenn auch nicht hager. Gleichzeitig hatte er etwas Wildes, Ungezähmtes, wie auch sein glattes, glänzend schwarzes Haar, das unter der Kopfbedeckung förmlich hervorquoll. Genauso wild seine Augenbrauen, die auf der leicht gelblich elfenbeinfarbenen Haut über dem Nasenrücken ungebärdig zusammenwuchsen, und seine fast beleidigend vollen Lippen, über denen er einen kleinen, zu einem Strich rasierten Schnurrbart trug. Mit seiner bloßen Erscheinung, dem um die Mundwinkel spielenden selbstbewussten, verwöhnten Lächeln, mit seinen Bewegungen, der Farbe seiner Haut, seinem dunklen, mal nervös umherschweifenden, mal lange verweilenden Blick betörte er so ziemlich alle. Und genauso viel Zeit brauchte er, um diese verwirrenden Betörtheiten wieder zunichtezumachen, so dass gerade die Betörten nicht wussten, wie sie eigentlich zu ihm standen.
Er war im Zeichen des Wassermanns geboren, und die Natur hatte ihm die Eigenschaften seines Sternzeichens in vollem Maß verliehen, aber leider auch nichts mehr. Er war ein Augenmensch, er verstand sich auf alles, was mit dem Visuellen zusammenhängt, er wusste, was er der Harmonie schuldig war, und was der Disharmonie, er kannte die Maßeinheiten der Symmetrie und der Asymmetrie, die Symmetrie liebte er, bestand aber nicht darauf, da er gegen monotone Proportionen war. Das alles funktionierte bei ihm aber nicht wie ein angeeignetes technisches Wissen, sondern kam aus seinen Eingeweiden, nährte sich daraus. Ungebildet war er auch nicht, besser als er kalkulierte niemand diese Maßeinheiten ein, auch im mathematischen Sinn nicht. Außerdem wusste er mit Farben, Formen, Materialien, Linienführungen umzugehen, er spürte instinktiv den Bezug und die Wechselwirkung der Komponenten, doch dort, wo die visuelle Oberfläche endete, war er ein verlorener Mann.
Die vollkommene Unmusikalität ist eine ebenso außerordentliche Gabe wie das absolute Gehör. Nicht dass er einen Walzer nicht von einer Mazurka hätte unterscheiden können, zuweilen konnte er das tatsächlich nicht, was ja noch angeht, vielmehr erwies er sich als krankhaft unsensibel in Bezug auf die auditiven Eindrücke, und vielleicht deshalb hörte er die anderen nicht, so wenig wie sich selbst.
Freunde hatte er keine, nur Bewunderer und Feinde. Die feinen Spannungen und Schattierungen des Tonfalls und der Bedeutung erfasste Samu Demén nicht. Er hörte auch niemanden bis zum Ende an, wusste nicht zu argumentieren, sondern begann die anderen gleich zu übertönen, fuhr dazwischen, schrie, redete in fremde
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