Parallelgeschichten
höchstens dadurch getrübt, dass sie auf weitere Fahrgäste warten mussten, sie hingegen wäre gern gefahren, hinüber, schnell. Es dürstete und hungerte sie, immer nach einem anderen Ufer.
Jetzt aber durfte sie wirklich nicht länger zögern, sie hätte schon längst aufstehen müssen. Auch drückte ihre Blase, machte sich mit scharfen kleinen Stichen dringlich bemerkbar.
Im Zimmer herrschte ein angenehm zum Bleiben einladendes Halbdunkel, sie presste die Oberschenkel zusammen. Trotz der späten Stunde hatte niemand die Läden innen an den Fenstern geöffnet. Habe mich schon wieder erkältet, dachte sie ärgerlich. Licht gab es so viel, wie durch die offene Tür hereinkam, und an der Wand die langen Schatten der rötlichen Flammen.
Sie starrte ins Feuer, sah es aber nicht, sondern tastete mit den Fühlern ihrer Phantasie weiter herum, griff hastig dahin, dorthin, vergeblich; sie vermochte nicht festzustellen, woran ihre Träume erinnerten. Da ist eine Erinnerung, daran erinnere ich mich doch, wiederholte sie für sich, während sie es beinahe und dann doch nicht erreichte. Aber bevor sie sich gereizt auf die andere Seite drehte, damit das Hämmern der Wörter und der Schmerz endlich aufhörten, sich endlich im Raum verloren, klammerte sie sich doch instinktiv ans Wachsein; nicht den leeren Traum wollte sie, wohl eher die Anteilnahme eines anderen Menschen.
Ilona, Liebe, rief sie mit einer etwas weinerlich singenden Stimme ins andere Zimmer hinüber, würden Sie nicht endlich das verdammte Scheißfenster öffnen. Wenn Sie noch lange Rauch machen, ersticke ich.
Die klagende Stimme milderte die Grobheit des Satzes nur wenig. Sie hatte ja wirklich nicht viele Wünsche, trotzdem ging sie immer wieder zu weit und war deshalb oft unzufrieden mit sich. Sie hatte den Eindruck, den anderen gegenüber mal zu nachgiebig, dann wieder zu hart zu sein, zu aufdringlich und aggressiv, als fände sie nie das rechte Maß. Es war nicht so, dass sie über keine Maßstäbe verfügte, bloß hatte sie verschiedene, nicht leicht miteinander zu vereinbarende, die sich zuweilen überkreuzten und ihren Tonfall und ihr Benehmen verletzend werden ließen.
Von der anderen Frau kam längere Zeit keine Antwort. Nicht, weil sie beleidigt gewesen wäre, aber sie zuckte vor dem herausquellenden Rauch mal zurück, dann wieder beugte sie sich vor, um hineinzublasen, die erlöschenden Flammen mit ihrem bloßen Atem wieder zum Leben zu erwecken. Täglich in sechs Kachelöfen einheizen und sie gleichmäßig schüren ist auch dann keine Kleinigkeit, wenn draußen nicht gerade ein Wahnsinnssturm tobt.
Ich habe die Migräne, seit dem frühen Morgen, kam es aus dem Nebenzimmer, mir platzt beinahe der Kopf. Ich weiß nicht, warum schon wieder. Vielleicht wegen dem Wind.
Die als Bitte um Entschuldigung zu verstehende Klage schwebte lange Augenblicke ziellos zwischen den zwei Zimmern.
Die Haushaltsangestellte, mit vollem Namen Ilona Bondor, verstand die beengende Situation der jungen Frau, ja, fühlte bis zu einem gewissen Grad mit ihr, und man brauchte ihr auch nicht eigens zu erklären, wie jemand am frühen Morgen eine Migräne bekommen konnte.
Die hat wieder heimlich getrunken, oder Ágost hat sie wieder nicht befriedigt.
Und wenn auch nicht so, wie es die andere gewünscht hätte, empfand sie für Gyöngyvér doch echte Anteilnahme. Mit ihrem unregelmäßigen rundlichen Gesicht, ihren dichten blassen Sommersprossen, die unter den blau umschatteten Augen und auf der Nase fast ineinanderflossen, mit ihrem dünnen, stets sorgfältig ondulierten rötlichen Haar und ihren schmächtigen Schultern hatte sie etwas rührend Tapsiges, Hilfloses. Sie wirkte wie ein unterentwickeltes, leicht rachitisches Mädchen, obwohl sie überhaupt kein unreifer oder unsicherer Mensch war. Selbstsicherer, als ihr Äußeres erwarten oder vielleicht auch hinnehmen ließ. Sie wusste, von wem sie was zu halten hatte. Auch jetzt blickte sie erst auf, als die Flämmchen des Kleinholzes endlich auf die Scheite übergriffen.
Meiner Meinung nach wäre es das Gesündeste, wenn Gyöngyilein jetzt schön aus dem Bett kriecht, rief sie über die Schulter zurück. Sie könnte sogar auch ganz gut ans Telefon gehen. Gestern hat mir doch Gyöngyilein gesagt, heute wolle sie dann früh aufstehen. Sie wolle vor der Gesangstunde noch ins Schwimmbad, weil sie die freien Tage gern ausnütze. Was schön und gut ist, bloß wie soll das gehen, wenn sie im Bett bleibt. Das ist wirklich unklug
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