Parallelgeschichten
Gespräche drein, redete manchmal regelrecht über die Rede anderer hinweg. In seinem Element fühlte er sich, wenn er frei schwingende Monologe halten konnte. Trotz der Eleganz seiner vornehmen Bewegungen vergaßen nur die wenigsten, dass er beim Essen schnalzte und schmatzte. Ein schöner Körper, in dem es wahrscheinlich nie still war, der wahrscheinlich auch kein Bedürfnis nach Stille hatte.
Es gab Leute, die ihn ganz einfach mieden.
Das alles spürte er natürlich, aber seitdem er nicht mehr zu Hause lebte, begriff er nicht, woher es kam, dass er so einsam war.
Seine Bauten trugen keine Spur solcher schmerzlichen Radikalität. Er baute nicht von außen nach innen, sondern von innen nach außen. Als sähe er zuerst den Innenhof, erst dann die Fassade, sogar zuerst ein einzelnes Zimmer, an dessen Proportionen er den Rest anpasste, nie umgekehrt. Es war seine Überzeugung, ja, fixe Idee, dass das Wohnhaus und der Wohnraum nur dann gelungen sind, wenn ihr Grundriss wie bei einem griechischen Tempel das verlängerte Rechteck ist und die einzelnen Räume fast quadratisch sind. Den Raum wollte er intim, zärtlich und gemütlich, er sollte die Sehnsüchte des Bewohners nicht ersticken, ihn aber auch nicht zur Maßlosigkeit verleiten, ihn nicht verwöhnen. Die Höhe der Räume entsprach den Maßen des Grundrisses. Woraus folgte, dass er keine zu großen Räume planen, keine unsinnigen Innenhöhen verlangen durfte, und auch, dass er die Zimmer alle fast gleich anlegen musste, so dass sie am Ende nicht viel größer waren als die Diensträume.
Alles, was er plante, wäre durchaus bequem, beschaulich, solid und heiter geworden, bloß war es mit dem Zeitgeist nicht vereinbar, und so konnte er es nicht ausführen; das meiste blieb auf dem Papier. Seine Ideen wurden gar nicht so sehr von den Kollegen abgelehnt, die beim Anblick seiner Pläne höchstens ein bisschen lachten. Samu Demén entwirft nette Atriumhäuschen, hieß es, aber er hat keine Vorstellung davon, wie eine städtische Mietwohnung aussehen soll. Wen er in erster Linie mit seinen Plänen abschreckte, waren die möglichen Bauherren. Tatsächlich sahen in den Mietshäusern der Herren Kollegen die inneren Raumverhältnisse völlig anders aus. Während auf der Straßenseite die repräsentativen Räumlichkeiten, die Salons, die Arbeitszimmer, die Rauch- und Esszimmer immer höher und größer wurden, verengten sich auf der Hofseite die Räume immer mehr, wurden zu dunklen Korridoren, Kammern, Verschlägen, Kabusen und Winkeln, die dementsprechend erschreckende Höhen aufwiesen. Bei den hofseitigen Wohnungen der Häuser reichte es nicht einmal zu so viel Proportion, hier war alles ineinandergepfercht und verschachtelt, Küchen in Zimmer, Zimmer in fensterlose Alkoven, Verschläge, Schlafkammern, auf den Absätzen der Hintertreppen der Gemeinschaftsabort, kurz, das undurchsichtige, unsaubere Gewirr der Großstadt.
Demén seinerseits ging mit dem Raum so großzügig um, dass er auf keiner Etage mehr als zwei Wohnungen unterbringen konnte, was den Bauherren, die die Grundstückspreise einkalkulieren mussten oder gerade mit ihnen spekulierten, natürlich nicht gefiel. Wenn er seine gerechtfertigte Ansicht höflich und geschickt hätte vertreten sollen, platzte ihm vor Gereiztheit der Kragen.
Jetzt verstehen Sie doch bitte, wenn Sie von der Spitze des Tympanons eine Linie parallel zum Krepidoma ziehen und beide verbinden, schon gut, ich sehe, Sie verstehen das nicht, wahrscheinlich haben Sie noch nie einen griechischen Tempel gesehen, also, dann erhalten Sie ein regelmäßiges Quadrat, darum geht es im Wesentlichen. Wir wollen doch bitte festhalten, dass die klassische Proportion so aussieht. Ein fast regelmäßiges Quadrat, das aber doch eher zum Rechteck tendiert. Und ich ziehe es sogar noch weiter, aber verstehen Sie doch bitte, dass ich nur so weit gehen kann, wie es optisch verträglich ist. Weiter gehe ich nicht, darauf können Sie Gift nehmen, das tu ich einfach nicht. Bitte, wenn wir, so wie Sie das wünschen, auf dieses Gebäude noch ein Stockwerk legen, zwei, drei Stockwerke, dann stellen wir die Welt auf den Kopf.
Sehen Sie sich das doch an, da bitte, ein abweisender Klotz, der den Himmel umstößt. Das nicht, nicht mit mir, so etwas übernehme ich nicht.
An der Fassade seines Gebäudes fehlten wirklich nur die dorische Säulenreihe und das große Tympanon, und seine witzelnden Kollegen hätten tatsächlich ein altmodisches, antikisierendes Gebilde sehen
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