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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Bellardi ebenfalls, wuchs seinerseits über dem Tisch langsam in die Höhe.
    Im Vertrauen auf den gesunden Menschenverstand fahre ich dennoch fort, sagte er ganz leise, fast freundlich, ohne jede verletzende Emotion. Obwohl er Madzar in diesem Augenblick mit aller frei werdenden Kraft für seine Schwerfälligkeit zutiefst verachtete, oder vielleicht hasste er sich selbst so sehr. Er verstand nicht, warum er Madzar so leidenschaftlich in etwas hineinziehen wollte, in das der tatsächlich nicht hineinpasste.
    Der bedient ihn nicht.
    Und warum bedient ihn dieser Plebejer nicht.
    Seinen sich zusammenbrauenden Wutausbruch vermochte er doch noch glücklich zurückzudrängen.
    Ein wenig ist es so, als gäbe ich dir noch eine Chance, deine Seele vor Schaden zu bewahren, rief er mit einem unerwarteten Lachen.
    Glaub mir, deine Seele kenne ich vielleicht sogar besser als du.
    Seine Zähne glänzten glitschig auf.
    Ach, was kennst du denn, wen kennst du denn, fragte sich der Architekt wütend, auch wenn ihn der andere Mann mit seiner in tiefer Überzeugung gründenden Unbeugsamkeit, seiner Anhänglichkeit, seinen Zähnen und diesem falschen Lachen, das er von seiner Mutter hatte und das ihn ihr so ähnlich machte, in diesem Augenblick zweifellos bezauberte und einnahm.
    Es durchzuckte ihn auch der Gedanke, dass hier vielleicht Besessenheit am Werk war, Wahn, Blindheit und Taubheit.
    Sein Bestreben, sich vor dem drohenden Chaos um jeden Preis zu schützen, wurde von diesem warnenden Gedanken aber eher geschwächt.
    Ob er nicht doch mit ihnen abstürzen sollte.
    Warum sollte ihn die entsetzliche Schönheit des Chaos nicht verführen.
    Du weißt doch auch, widersprach er kraftlos, dass ich mein Leben in einer ganz anderen Welt neu beginnen will. Ich werde gewissermaßen auf dem Mond sein. Du weißt das, ich verstehe also überhaupt nicht, warum du mir mit so etwas kommst.
    Bellardi lächelte jungenhaft, es erschienen sogar anmutige Grübchen zwischen den starken Linien und Furchen seines Gesichts.
    Sehr schön, sagte er mit einem holprigen Lachen, genau darauf wollte ich hinaus, Lojzi, mein Schatz.
    Das war aber keine unschuldige Lust mehr, sondern ein genau berechneter Effekt eines weiteren Akts in dem Theater. Das Spiel durfte nicht verloren werden, es gab keinen Grund, es zu verlieren, um jede einzelne Seele musste gekämpft werden.
    Bellardi durfte sich selbst nicht enttäuschen.
    Jetzt aber muss ich dich hinunterbegleiten, sagte er, wir machen uns zum Anlegen bereit.
    Damit packte er Madzar am Arm, und während er sich zärtlich bei ihm einhängte, jaulte die Schiffssirene lange und verzweifelt auf.
    Madzar, zu seiner größten Schande, zuckte zusammen.
    Unser Netz breitet sich aus, wir suchen Residenten im Ausland, rief Bellardi durch die Sirene hindurch. Wir haben schon an verschiedenen Orten Leute, auch in Amerika fehlen sie nicht. Ist ja ein großer Kontinent, aber wir könnten drüben schon noch so einen Kopf gebrauchen.
    Er sperrte vor ihm die Tür auf, und während sie stumm die schwach beleuchtete Treppe hinunterstiegen, erklang auf der Kommandobrücke die Schiffsglocke und bimmelte so lange, bis in der Tiefe der Schiffsmotor stehenblieb.
    In Friedhofsstille glitt der beleuchtete Schiffssteg von Mohács vorüber.
    Die Strömung hatte sie mit unglaublicher Kraft ergriffen, wobei ihre Stärke nur hier in Ufernähe, unter dem mächtigen Damm, sichtbar war.
    In den Lichtbündeln des Wassers und der Scheinwerfer schwebten Nachtfalter und Mücken, als hätte sie der Lichtstrahl aus dem Dunkel herausgerissen.
    Und als die Strömung sie schon um etliches über die Landungsstelle und die mit den weißen Kerzen ausladender Kastanien geschmückte gelbe Schiffsstation hinausgeschoben hatte, ließ der lärmend wieder anspringende Schiffsmotor ihre Körper erzittern. Fast hatten sie schon den abweisenden, dunklen Gebäudeblock der Seidenfabrik erreicht, als sich das Schaufelrad unter dem Klingeln der kleinen Glocke rückwärts zu drehen begann und sich das Ruder mit einem dünnen Aufschrei umlegte. Sie fuhren rückwärts, gegen den Strom, unter ihnen brodelte, siedete, schäumte der große dunkle Fluss, bis der wuchtige Rumpf der Carolina gegen den stark herausragenden Steg prallte.
    Überleg dir die Sache, bitte, sagte Bellardi fast spöttisch. Aber reg dich deswegen nicht auf. Du brauchst es nicht dramatisch zu nehmen, dazu besteht kein Anlass. Es ginge einfach darum, dass du gelegentlich bei uns vorbeischaust. Das ist nur eine

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