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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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erwischen, und solches Schwellenholz würde der Herr sonst nirgends finden.
    Er wusste gar nicht, wer ihn mehr abstieß, Gottlieb oder Bellardi, alle, das heißt, er sich selbst.
    Der ist fähig, seine eigenen Hunde zu erschlagen, dachte er gehässig von dem Juden, als wäre er tatsächlich von ihm angeekelt, womit er sich also auf Bellardis Seite schlagen würde.
    Es kommt aus Stipiczkas Betrieb in Semmering, erläuterte der Händler, den der Gesichtsausdruck des fremden Herrn allmählich unsicher machte.
    Falls dem Herrn das etwas sagt.
    Aber sicher sagte ihm das etwas.
    Nur empfand er seine Lage, einem beflissenen Juden anvertraut, als noch trostloser in dieser verfluchten Provinz, wo alle die Ansichten bestätigt wurden, gegen die er sich wehrte. Bloß weg hier. Was hatte er sich denn erhofft. Wozu war er hergekommen. Zu Huber konnte er nicht, der handelte nicht mit solchem Material. Woher kannte der Jude Stipiczkas Betrieb in Semmering. Diesen da, fast dachte er, dieses Ungeziefer da, würde er nicht los. Er hätte sich doch erinnern müssen, wie der war.
    Er versuchte höflich einzuwenden, er würde zwar gern einen Blick auf Stipiczkas Schwellenhölzer werfen, aber um ehrlich zu sein, er brauche keine achtundneunzig, ja, nicht einmal ein einziges.
    Der Jude tat, als höre er nicht, er redete um des Redens willen.
    Obwohl Madzar wiederholte, dass er nichts gebrauchen könne, was im Wasser gewesen war, für seine Arbeit ginge das nicht.
    Gottlieb hörte nicht zu, er redete lustvoll gewunden. Natürlich, natürlich, versteh ich, redete er laut über jedes von Madzars Worten hinweg, ist doch sonnenklar, außer, er habe den Herrn falsch verstanden. Denn sofern wir mit dreihundert Laufkilometern rechnen, und weniger sind es nicht, dann ist dieses Material ab Verőce bestimmt im Wasser gereist, mindestens eine Woche lang.
    Aber woher denn, wie können Sie so etwas sagen, warf Madzar gereizt ein, als müsste er sich ausgerechnet deswegen mit einem Juden anlegen. Er begriff nicht, wieso der so übertrieb, wo es doch gegen seine Geschäftsinteressen ging. Nicht einmal ab Győr sind es dreihundert, wie könnten es dann ab Verőce mehr als zweihundert sein.
    Ich möchte mit dem Herrn nicht streiten, bestimmt würde ich den Kürzeren ziehen, aber bitte es sich anzuschauen, er wies auf den Punkt, dem sie sich näherten. Ob zweihundert, ob fünfhundert, an diesem Holz sieht der Herr keine Spur, keine Veränderung. Gleich neben dem roten Siegel der Eisenbahn wird der Herr Stipiczkas eingebranntes Zeichen zu sehen belieben. Er habe bei der Eisenbahn einen Gewährsmann, der alles nachprüft und in die Wege leitet. Am Ende hätten sie sich darauf geeinigt, das wolle er dem Herrn ganz ehrlich sagen, dass er der Eisenbahn eine symbolische Summe zahle, nämlich zehn Pengő, habe er auch gezahlt, denn gemäß den Kriterien der Eisenbahn habe das Material einen Elementarschaden erlitten und hätte in jedem Fall aussortiert werden müssen.
    Dass der Herr gerade solches Holz brauche, sei ja doch ein wahres Wunder. Den Stapel, bitte mich anzuhören, haben sie nicht in Fahrtgegenrichtung, auf der rechten Seite, geschichtet, wie es ihnen der zuständige Ingenieur aufgetragen hatte. Es ist kaum zu fassen, wie es auf der Welt solche Zufälle geben kann, ein Wunder, ein wahres Wunder, ganz ungelogen, die Wahrheit ist, dass sie das Holz links ausgelegt haben. So ist es, bitte sehr, im Überschwemmungsgebiet gelandet, aber auch das Wasser hat es nicht in einem Mal mitgerissen, sondern schön in Bewegung gesetzt, der Jude lachte breit, als lobe er die elementare Kraft des Wassers und die Schlauheit der Strömung. Jeden Tag zehn, immer schön die oberste Schicht abgehoben, jedenfalls haben es mir meine Leute so herausgefischt. Aber dass die fehlenden zwei nicht dabei sind, vermaledeit noch mal, rief er völlig unerwartet, erklärte dem Herrn aber auch gleich seinen Ausbruch. Oder vielleicht sind ihnen die ersten zwei durch die Lappen gegangen, bevor sie die Sache bemerkten.
    Sie hatten den Holzstoß, den das weit ausladende Schindeldach nicht nur vor dem Regen schützte, sondern auch vor Wasserspritzern und starkem Sonnenlicht, noch nicht erreicht, als der sich aus dem Schatten schälende Anblick Madzar erstarren ließ.
    Von da an wagte er sich nur sehr vorsichtig, sozusagen beiläufig näher an das Holz heran.
    Solches Schwellenholz hatte er noch nie gesehen. Er traute seinen Augen nicht.
    Er hatte nicht einmal gewust, dass es so etwas gab.

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