Parallelgeschichten
musste.
Phantastisch, sagte sie lachend und fragte, ob ich mich immer mit so essentiellen Fragen beschäftige. Diese Frage lasse sich ganz leicht beantworten. Bestimmt sei ich hierhergekommen, um mit ihr zu sprechen.
Ich sagte, wenn sie ja schon so genau wisse, dass ich mit ihr sprechen wolle, und auch nichts dagegen habe, warum sie es mir dann so schwer mache. Und ich verstände auch nicht, warum sie dazu beichten und die Kommunion empfangen müsse. Und warum es ihren Mann dazu brauche.
Sie müsse überhaupt nicht beichten und die Kommunion empfangen, das tue sie nie, da sie bewusst und verstockt in Sünde lebe. Aber seit einigen Wochen studiere sie die Liturgieordnung, da sie vom religionsgeschichtlichen Standpunkt am Begriff der Sünde interessiert sei. Ich müsse aber wissen, dass sie ohne ihren Mann nicht sein könne. Wenn man mit ihr spreche, sei das so, wie wenn man mit ihrem Mann spräche.
Überhaupt würden sie einander alles sagen. Sie seien zusammengewachsen. Die katholische Kirche oder ihr Bruder oder die Beichte hätten damit nichts zu tun.
Ich könne doch wirklich nicht verlangen, dass sie vor sich selbst verheimliche, mit mir reden zu wollen.
Das ist alles.
Ganz einfach.
Aber warum sie denn denke, ich wolle mit ihrem Mann sprechen, den ich gar nicht kenne. Oder woher zum Kuckuck ich hätte wissen sollen, dass sie so aneinander hängen.
Nein, das denke sie nicht, sie überlasse es mir, ob ich auf sie warten wolle oder nicht.
Was sollten wir denn um Himmels willen zu dritt miteinander anfangen, wie stelle sie sich das vor.
Sie stelle sich nichts Besonderes vor, sie habe mich keineswegs mit irgendetwas Ausgefallenem abschrecken wollen. Aber da ich schon frage, wiederhole sie, dass sie sich ungefähr vorgestellt habe, ich würde auf sie warten, während sie in der Kirche ist, dann würden sie auf eine Fete gehen, und wenn ich Lust hätte, könnte ich mitgehen. Das habe sie sich tatsächlich vorgestellt, genauer, es sei ihr durch den Kopf gegangen. Bloß mache ich mit sinnlosen Fragen dauernd Schwierigkeiten, und so habe sie es gar nicht erwähnt.
Und was, wenn ich im Moment überhaupt keine Lust hätte, auf eine Fete zu gehen, und noch weniger Lust, mit ihrem Mann zu reden. Und was, wenn auch ihr Mann keine Lust habe, mit mir zu reden.
Nichts, wir hätten es ja dann schon im Voraus geklärt.
Aber genau das sage ich doch, dass dann nichts wäre.
Sie schwieg wütend.
Gar nichts, rief ich.
Es sei Unsinn, was ich da zusammenrede.
Ich sagte, wenn das so sei, tue es mir sehr leid, dass ich so beschränkt bin. Zu mehr reiche es bei mir offenbar nicht.
Aber wenn ich unbedingt gehen wolle, dann solle ich eben gehen. Sie wolle mir ja nichts aufzwingen, könnte das ja auch gar nicht.
Sie wisse ganz genau, dass sie es könne, wenn sie es nicht könnte, würde ich ja nicht so blöd dastehen. Und ich wolle auch gar nicht unbedingt gehen, denn wenn ich das wollte, wäre ich gar nicht gekommen.
Wie geistreich, erwiderte sie bissig. Sie fürchte bloß, dass mir für weitere geistreiche Bemerkungen keine Zeit mehr bleibe.
Auch das verstand ich nicht, ich sagte, ich verstehe nicht. Ich verstand nicht, warum das geistreich sein sollte.
Während wir redeten, achtete ich nicht groß darauf, was um uns herum geschah, auch wenn ich wahrscheinlich mehr sah, hörte und jeden Geruch deutlicher wahrnahm als sonst irgendwann. Jetzt plötzlich veränderte sich alles an ihr. Als würde sie mich aus sich hinausstoßen, was mich ganz benommen machte. Ich verstand weder ihre Wörter noch Sätze. Nur der Duft, der von ihrem feucht schimmernden Haar aufstieg, von ihrer weichen weißen Haut, von ihrem nackten Hals unter dem hochgeklappten Mantelkragen, vielleicht hatte sich nur der nicht verändert. Ihre Haltung, die Färbung ihrer Stimme, ihre Art waren anders geworden. Benommen vom herben Geruch eines außergewöhnlichen Parfüms, war ich sozusagen bemüht, mit meinem Geruchssinn zu ihrem echten Geruch vorzustoßen, während mich beide so erfüllten, dass keine Hoffnung bestand, sie auseinanderzuhalten. Es hatte etwas Unwahrscheinliches, dass wir hier standen, im Sturm, und uns mit den Blicken übers Gesicht fuhren, obwohl ich doch genau wusste, dass es hoffnungslos war. Ich hätte doch von der Árpád-Brücke in die Donau springen sollen. Ich hatte die Absicht, so rasch wie möglich hier wegzugehen, aber es gelang mir nicht einmal, die lustvolle Hoffnungslosigkeit aufzugeben. Oder vielleicht fesselte mich ihr Duft so
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