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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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stark, jetzt versuchten alle, den unmöglichen Satz der Gräfin zu übertönen. Sie hatte nicht ausgesprochen, dass der Künstler mit seiner ganzen körperlichen Erscheinung sie unheimlich an Mihály erinnerte, auch wenn sie klar gesehen hatte, dass dieser Mensch namens Breker ein großer Charakterlump war, ein grässlicher Speichellecker. In diesem Augenblick erschien es ihr ganz unglaublich, dass die hier nichts von Mihály wussten. Vielleicht sollte sie besser von ihm erzählen. Doch dann habe sich herausgestellt, fuhr sie im gleichen Atemzug leichthin fort, dass die Büste weder den einen noch den anderen darstelle, sondern den wunderbaren großen Architekten Albert Speer, den kennenzulernen sie noch nicht das Vergnügen gehabt habe, sie hingegen seien mit dem Lieblingsarchitekten des Führers bestimmt bekannt, so sagte sie es, mit zärtlicher Stimme, des Führers. Damit machte sie doch gleich etwas von ihrem Fauxpas wett. Auch wenn ihre Zärtlichkeit eher dem Modell der Büste galt als Hitler, vor dem es ihr im Stillen graute. Gemäß Graf Svoys Rat wäre es in diesem Fall nicht angebracht gewesen, Hitler zu sagen. Sie musste akzeptieren, dass die Deutschen gegenüber diesem in jeder Hinsicht abstoßenden Mann ihrer natürlichen Zärtlichkeit und ihrem unbedingten Vertrauen auf diese Art Ausdruck verliehen. In einem solchen Fall war es nicht ratsam, die Deutschen ihre Unabhängigkeit fühlen zu lassen, darin ging sie mit Graf Svoy völlig einig, denn die Auenbergs waren zwar im Lauf der Jahrhunderte glühende Ungarn geworden, aber dem Blut und dem Namen nach gehörten sie doch zu den Deutschen, und das musste zugunsten der Ungarn ausgenützt werden.
    Was von der Schuer fachhalber und fast instinktiv an ihrem Gesicht und ihrer Gestalt auch gleich ausgemacht hatte, als sie hinter Baronin Thum auf dem Gartenweg dahergekommen war. Er hatte mit einer gewissen Genugtuung festgestellt, dass sie ein beispielhaft nordischer Typ war. Sogar Eichstedt wäre über die schwache Pigmentierung von Haut und Haar erfreut gewesen, über die großgewachsene, schlanke Gestalt, an der augenscheinlich nichts Überflüssiges war, am langen Gesicht mit der schmalen Nase, an der außergewöhnlich hoch sitzenden Nasenwurzel und den außergewöhnlich feinen Nasenflügeln, die mit ihrer Empfindlichkeit von der Schuer bis ins Mark erregten. Er würde mit ihr ein Verhältnis beginnen, ein heimliches Verhältnis. Er ließ den Blick lange auf ihren ungeschminkten Lippen ruhen, suchte dann ihre kaum hervorstehenden Wangenknochen, beobachtete, wie sie sprach, kaute, schluckte, nahm gewissermaßen unter einem anatomischen Gesichtspunkt den Biss der jungen Frau in Besitz.
    Gleichzeitig bedaure sie, dass die schöne Eva Braun nicht dabei gewesen sei, plapperten die Lippen. Das war wieder etwas, worüber nicht gesprochen wurde, man war betroffen, dass sie den Namen in den Mund zu nehmen wagte. Sie habe so viel Gutes über sie gehört, gewiss eine bezaubernde Person, sie kennen sie ja bestimmt persönlich. Wie peinlich, was dieses Dummerchen von einer ungarischen Gräfin zusammenredet, sie versuchten noch lauter zu sprechen, um das alles gar nicht hören zu müssen. Speers reizende Gattin, Margret, sei hingegen im glanzvollen Damenkranz präsent gewesen, auch Magda Goebbels und die anderen, in Gesellschaft so glanzvoller Damen könnte doch jeder Mann glücklich sein, sie aber habe deutlich den Eindruck gehabt, die Frauen lassen diesen ganz großen Künstler kalt. Künstler sind schließlich mit ihrer Kunst beschäftigt, und dem großen Künstler, nicht wahr, verzeiht man ja fast alles. Damit blickte sie sich lachend und triumphierend in der Tischrunde um, während alle mit sich selbst beschäftigt waren und abgesehen von Siegfried nur von sich sprachen. Es kam also keine Antwort, was aber Gräfin Imola nicht aus dem Konzept brachte. Margret Speer ist eine großartige Frau, fuhr sie erläuternd fort, als wolle sie das Thema vertiefen, um doch noch Aufmerksamkeit zu wecken, so entzückend bescheiden, sie hätten sich auch gleich angefreundet, ein paar Worte, und man habe sich gleich verstanden, sie würden sich auch besuchen. Margret käme zu ihnen nach Fánt, sie ihrerseits fahre nach Berchtesgaden, und das mit dem größten Vergnügen. Ihre Ängstlichkeit und Sachlichkeit seien rührend. Wirklich rührend, wie sie mit einem verlegenen kleinen Lachen bestätigt habe, sie selbst könne nicht umhin, zwischen den physiognomischen Gegebenheiten der beiden

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