Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
Vom Netzwerk:
Kleidung der Gäste, sie könne ihn ehrlich gesagt nicht ausstehen, etwas über die Fortschritte der Kinder, passende und unpassende Bruchstücke und Satzfetzen, die in keinem logischen Zusammenhang standen und mit denen sie die Grenze zwischen innerem Monolog und gesellschaftlichem Geplauder gründlich verwischte, eigentlich wusste sie gar nicht, was sie da redete.
    Sie fragte, ob die anderen den Geruch spürten, sie nämlich schon.
    Man beachtete sie nicht. Sie träumte von ihrem Mann einen Albtraum, das fühlte sie, das lenkte sie. Sie hätte wirklich nicht gedacht, dass es ihn nach so gewöhnlicher Liebe gelüstete oder dass er fähig wäre, jemanden zärtlich liebzugewinnen. Da ja auch sie nichts dergleichen für ihn empfand. Sie achteten einander, was schon ganz zufriedenstellend war. Und jetzt musste sie mit ansehen, wie er vor ekelhaftem Begehren dahinschmolz und sich mit dem Blick an der unglückseligen kleinen ungarischen Hysterikerin festsog, sie fast verschlang. Sie hatte nicht gedacht, dass sie neben der pflichtgemäßen Achtung voreinander irgendwelche Zügellosigkeiten nötig hätten. Eine strenge Tagesordnung bestimmte ihr Leben, und auch von der hätte sie niemals gedacht, dass sie nicht eine Aufgabe darstelle, die einen völlig ausfüllt, adelt, moralisch befriedigt.
    Höchstens, dass sie von einer lästig körperlichen und sich höchst unsauber anfühlenden Unruhe ergriffen wurde, wenn ihr Mann samstagnachts unter längerem Stöhnen ans Ende seiner kurz bemessenen Lust gelangte. Die Freifrau hätte noch mehr gewollt. Was sie nie auszusprechen gewagt hätte. Lieber erduldete sie es, so ist es nun einmal, und machte keine weiteren Anstalten. Vielmehr achtete sie darauf, danach nicht herumzuzappeln. Um mit den Tiefenströmungen ihrer unverständlichen Zügellosigkeit den Mann nicht zu wecken, der sein von Sperma und vaginaler Ausscheidung nasses Glied mit dem Saum seines Seidenpopeline-Nachthemds abwischte, worauf er fahrplangemäß in den Schlaf sank. Die Nachthemden mussten versteckt werden, damit sie nicht dem Zimmermädchen in die Hände fielen, und wurden jede Woche ins Eingeweichte geschmuggelt, damit auch die Waschfrau sie nicht sah. Sobald sich sein aufdringlich großer, befriedigter Körper im Schlaf entspannt hatte, ließ er kleine, zuweilen auch laut knatternde Fürze los, was ihm wohl nicht bewusst war. Selbst wenn er deswegen hochschreckte, tat er in ihrer beider Interesse, als wüsste er es nicht, hätte es nicht gehört. Zweimal war der Freifrau widerfahren, dass sie, wenn sie in dem Gestank, der unter der Decke hervorsickerte, hilflos und steif dalag und ihre schweren, feuchten Schenkel zitterten und sie überhaupt vor Ekel zitterte, die donnernden Wellen der Befriedigung überkamen, vielleicht gerade wegen ihres starken Widerwillens gegen den Mann. Ihr Körper hatte sich selbständig gemacht. Es war, als erlebe ihr Inneres eine tektonische Bewegung, worauf ihre disziplinierte, gepflegte Seelenlandschaft auseinanderspritzte wie die einzelnen Wassertropfen eines riesigen Wellenkamms.
    Sie konnte nichts machen, weder dafür noch dagegen.
    Sie konnte nicht einmal brüllen oder erlöst keuchen.
    Und sie empfand sich als schmutzig, wenn sie wieder zu sich kam.
    Sie konnte den Montagmorgen kaum erwarten, wenn sie ihr Nachthemd wechseln und auch das fleckige, spermastinkende Nachthemd ihres Mannes in die Wäsche geben konnte. Die Waschfrau verstand nicht, warum sie die Nachthemden des Herrn Professors steifer stärken musste als seine Hemden. Damit er ihn nicht daran abwischen konnte, damit es wenigstens wehtat, wenn er das machte. Der Freiherr hätte nicht gewagt, etwas dagegen einzuwenden, dann hätte er ja die Sache beim Namen nennen müssen. Auch die Freifrau wünschte nicht, von einem menschlichen Organ und den dazugehörigen physiologischen Vorgängen Kenntnis zu nehmen, von denen sie auch nach der Geburt von drei Kindern kaum eine Ahnung hatte, oder vielleicht doch, aber trotzdem. Dennoch hoffte sie, es würde sich wieder ereignen, und so hatte sie gar nichts dagegen, wenn er immer zur gleichen Zeit und immer gleich und immer befriedigt in den Schlaf sank.
    Während sie angeekelt, aber ohne sich ein leises Interesse zu versagen, auf seine Fürze und sein Schnarchen lauschte, hätte sie sich nur ein klein wenig berühren müssen, die Versuchung war groß, es noch einmal geschehen zu lassen, aber sie tat es nicht, nein, sie widerstand.
    Das unterlässt man besser, sie schämte sich für

Weitere Kostenlose Bücher