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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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lächelte, wenn auch noch etwas schläfrig. Der Schaffner vertäute das Schiff nicht, der Steuermann stellte den Motor nicht ab, sondern beide begannen zu rufen, sie solle nur kommen, sie brächten sie in einer Extrafahrt hinüber.
    Der Mörder Balter stieg grußlos vom Schiff, das schöne Mädchen stieg lachend ein. Die Extrafahrt brachte Dávids Schwester hinüber, die sich schon zurechtgelegt hatte, was sie den Fährleuten sagen wollte, was ihrem Großvater, und was ihrem neugierigen kleinen Bruder.
    Balter war bei dieser frühmorgendlichen Fahrt ins Schwitzen geraten, obwohl die Fährleute überhaupt nichts hatten wissen wollen. Nachher sagten sie schulterzuckend zueinander, der muss bestimmt an seinen alten Arbeitsplatz. Der ist ja sicher froh, seine Pension ein bisschen aufrunden zu können. Sobald er an Land war, nahm er das Jackett ab und warf es sich wie ein Bursche über die Schulter. So ging er das steinige Ufer hinauf. Auf der Straße, die zum Gefängnis führt, zeigte sich keine Menschenseele.
    An der endlosen, zwei Stockwerke hoch alles abriegelnden Mauer befindet sich eine einzige kleine Eisentür. Die einstige Wageneinfahrt war irgendwann Anfang der fünfziger Jahre aus Sicherheitsgründen zugemauert worden, jedoch unter Belassung des schön geschnitzten barocken Torrahmens. Balter hätte es für unziemlich gehalten, sich so zu präsentieren, mit dem Jackett über der Schulter. Er schlüpfte hinein, bevor er am Diensteingang klingelte. Kurz darauf erschien das Auge im Guckloch, und die Tür ging in vertrauter Weise auf.
    Die Kollegen empfingen ihn mit stürmischem Jubel. Die überschäumende Ruferei lockte noch weitere Leute aus dem Gebäude in die Wachstube, alles tätschelte ihn, klopfte ihm auf den Rücken, lachte, machte Witze, er sagte natürlich nichts. Man drückte ihn auf einen Stuhl, angesichts der Freude so vieler starker Männer lächelte er sanft.
    Auf einmal fiel ihm etwas ein, das ihn lustig genug dünkte, um als Scherz auf die Kollegen losgelassen zu werden.
    Kommt denn die Rattenfrau noch, fragte er.
    Er hatte die Frage ganz leise formuliert, umso größer war ihre Wirkung. Man blickte ihn bewundernd an, wie einen Weisen, der früher oder später den Finger auf den wesentlichen Punkt legt. Das war so eine beiläufige Bemerkung, fallengelassen zwischen Wärtern und Verurteilten, wenn Neuankömmlinge da waren.
    Ganz deutlich ausgesprochen wurde die Sache natürlich nie. Männer sprechen ihre Herzensangelegenheiten nie deutlich aus. Höchstens ein paar durch die Zähne gezischte Wörter, und allmählich schlägt der schauerliche Gedanke im Kopf des Neuverurteilten Wurzeln.
    Nicht traurig sein, Kumpel, so sagen die Alteingesessenen zum Neuankömmling, immerhin gibt’s hier Ratten.
    Man ist hier aufeinander eingespielt, und nicht einmal die Ratte darf fehlen. Die Ratten werden von den Wärtern mit ihren Hunden lebend eingefangen, oder wenn nicht von ihnen, so machen sie doch mit bei dem Manöver, das als Lustbarkeit nicht ohne ist und vor allem nicht ohne Gefahr.
    Wenn sich die Ratten in den Vorräten schon sehr vermehrt hatten oder wegen des hohen Wasserstands massenhaft durch die Kanalisation aus dem Bischofspalast herüberkamen, musste das ja eh getan werden.
    Da war so ein schwerer Junge, der es zwanzig Jahre ausgehalten hatte. Das Frischfleisch, nicht wahr, wollte er nicht benutzen. Da warf er dann doch das Auge auf so ein ansehnliches Weibchen.
    Du wirst es ja nicht glauben, aber es findet sich immer so ein zahmes Vieh, das dir an die Hand geht.
    Dem Neuankömmling sagt man im Dunkeln, wenn sie kommt, ziehst du sie dir stramm über und besorgst es ihr.
    Aber der schreckliche Schlaf der ersten Nächte übermannt ihn, die Ratte kann ungehindert unter die Decke kriechen.
    Als sich das Gelächter legte, sagte Balter, ja, jetzt habe er gemordet.
    Sie konnten nicht gleich mit Lachen aufhören, diesen neuen Witz kannten sie ja noch nicht. Allerdings wussten sie, dass er und seine Frau sich ihr ganzes Leben lang zerhackt hatten, will sagen, schlecht miteinander ausgekommen waren.
    Er bat, man möge den Kommandanten benachrichtigen.
    Sie verstummten, niemand wagte sich zu rühren, niemand sah ein, was es für einen Grund oder Sinn hätte.
    Der Frau knallt man ja gelegentlich eine, manchmal verprügelt man sie auch schön. Am folgenden Tag oder auch eine Woche danach wird unter vielen Tränen und Schwüren Friede gemacht, und bei diesen Gelegenheiten vögeln die Frauen am besten.
    Während sie

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