Parallelgeschichten
Er verstand auch nicht, was ein Ungar in der englischen Armee zu suchen hatte.
Die anderen waren inzwischen auf die Idee gekommen, seine Füße mitsamt den Schuhen in zwei großen Bottichen einzuweichen. Die Erfordernisse der Besonnenheit konnten die verrückte Logik der Ereignisse nicht aufheben.
Alles ging seinen Weg. Aus diesen Bottichen hatten sie sich bis dahin mit kaltem Wasser begossen. Sie freuten sich über den Einfall mit dem Fußbad. Er lachte mit, auch wenn er davon nicht so aufgeregt wurde. Das Wasser war in der Tat recht warm, brannte, biss zuerst, aber er freute sich, dass er unter so schönen Menschen sein durfte. Jetzt beobachtete ihn der Leutnant eher nur, fragte nichts mehr. Da merkte er in dem allgemeinen großen Gelächter, dass gar nicht weit weg, mit dem Rücken zu ihnen, der eine Mönch stand, den Kopf an die feuchten weißen Kacheln gelehnt, das Gesicht in beiden Armen vergraben, und wie er seine zuckenden Schultern sah, war er nicht sicher, ob der Mönch nicht etwa von Lachen geschüttelt wurde, wer sagte da so lustige Dinge, oder lachten sie ihn aus.
Am Ende fragte er diesen nackten Mann, dem die schwarze Behaarung in einem langen, geraden Strahl vom Bauch hinaufschoss wie das Wasser eines Springbrunnens, bis hinauf zu seinem Hals, und von dort zurück um die Brustmuskeln herum, wohin man seine Jacke gebracht habe.
Es war seltsam, dass er in dieser unbekannten Sprache überhaupt etwas sagen konnte.
Der Leutnant zeigte, da, schau, sie wird gerade verbrannt.
Und wirklich, er sah, wie der eine Mönch seine Sachen einzeln ins Feuer stopfte.
Er traute diesem Leutnant nicht, der war nicht so weiß und rot wie die anderen, sondern mager, als wäre auch er seit einigen Wochen ein Häftling.
Keine Angst, sagte der Leutnant, er würde anständige Kleider bekommen, und überhaupt würden sie es nicht dabei belassen. Sicher, sie waren etwas spät dran, aber jetzt überblickten sie die Lage. Die Vergeltung würde nicht ausbleiben. Wenn er horche, könne er hören, was im Augenblick geschehe.
Und tatsächlich, man konnte, sehr leise, aber trotz der alten Klostermauern doch hören, wie Motorräder angelassen wurden.
Der Leutnant nickte, jawohl, eine ganze Motorradkompanie, die fliegen aus wie die Schwalben, insgesamt neunundsiebzig Motorradfahrer, davon siebenundzwanzig mit Seitenwagen, alles in allem hundertdreiunddreißig Mann. Es war ihm anzusehen, was für ein tiefes Selbstbewusstsein und welche Überlegenheit ihm das disziplinierte Rachebedürfnis verlieh. Sie würden nichts Besonderes tun. Nur zwei Stadttore zumauern, wie das Kartenstudium ergeben habe. Die Aktion selbst würde ganz kurz dauern.
Er wollte bitten, flehen, sie sollen es nicht tun, rufen, es sei doch nichts geschehen, sie seien Opfer, unschuldig.
Aber bevor er rufen konnte, blieb ihm das Wort in der Kehle stecken.
Wie hätte er so etwas behaupten können, wenn es doch keinen Einzigen gab, der unschuldig genannt werden konnte. Also wollte er es mit einem anderen Argument versuchen. Der Leutnant könne doch sehen, dass sie nicht alle umgebracht haben, er und sein Zwillingsbruder seien ja auch noch am Leben. Nur durfte er auch das nicht laut sagen, über seinen Bruder schwieg er besser, der hatte ja gerade einen Mann namens Döhring umgebracht. In seinem Traum wusste er davon, seltsamerweise. Aber gibt es dann etwas, worüber ich nicht schweigen muss.
In seiner Qual begann er sich herumzuwerfen, er hatte das Gefühl, als hätte man ihm die Arme abgeschnitten, die Beine, er rief unverständliches Zeug, wie jemand, der ums Aufwachen ringt.
Über alles kann ich doch nicht schweigen.
Er konnte noch so laut rufen, die nackten Männer hoben ihn auf und setzten ihn in die Badewanne, während er hören konnte, der schwarze Leutnant machte mit erhobenem Finger darauf aufmerksam, wie die Schwalben ausflogen, die Motorräder losfuhren. Bis der Morgen dämmerte, war die Stadt zugemauert, die Pfeilener mussten sterben. Über dem leeren Kloosterplein schwebte Benzindampf in der abendlichen Stille. Alles kommt, wie es kommen muss. Man kann die Ereignisse nicht aufhalten, nichts kann man aufhalten. Während ihn gleichzeitig mehrere wuschen, übergossen, abrieben, einseiften und in der Badehalle der Lärm, das Stimmengewirr wieder zunahmen, alle redeten durcheinander, lachten, brüllten, sickerten durch unsichtbare Ritzen und Türspalte unbemerkt die Abgase herein und vermischten sich allmählich mit dem nach Kamille duftenden
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