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Parallelgeschichten

Parallelgeschichten

Titel: Parallelgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Péter Nádas
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Rückspiegel rasch auch die andere Frau.
    Die ließ ein verständnisvolles, in Zurückhaltung gehülltes, leicht leidendes halbes Lächeln auf den Lippen schweben. Was es bedeutete, war nicht ganz klar. Sie schien vermitteln zu wollen, dass sie mit ihrem ganzen hingebungsvollen Wesen in jedem der nun folgenden Augenblicke zu Frau Erna stehen würde. Es war offensichtlich, dass es gespielt war, aber auch, dass Frau Erna nichts dagegen hatte.
    Sie saßen zu nahe beieinander. Das war noch nie vorgekommen. Beide waren einigermaßen verlegen. Sie blickten sich nicht an, um Distanz zu wahren. Die junge Frau spielte ihre Rolle gut. Bei aller Antipathie bewunderte Frau Erna sie. Und machte sich auch etwas Sorgen, beneidete vielleicht sogar ihren Sohn um sie, während kurzer Augenblicke. Sie wusste auch, dass diese Beziehung nicht sehr lange halten konnte, und die junge Frau tat ihr wegen der bestimmt unschön werdenden Trennung im Voraus leid. Hin und wieder griff sie ein bisschen ein, damit die so bald wie möglich eintrat. Vorsichtig, aber beharrlich ließ sie ihren Sohn spüren, dass diese Frau für ihn nicht gut genug war. Aber wenn jemand aus so bescheidenen Verhältnissen stammt und nichts und niemanden hat und sich trotz fehlender guter Erziehung so einwandfrei kleidet und sich punkto Benehmen zum mindesten Mühe gibt, muss sie, selbst wenn sie ein Dummerchen ist, irgendeine Begabung haben.
    Die kann irgendetwas sehr gut, worauf ihr Sohn Wert legt. Das muss man ihr lassen. Aber auch darüber konnte Frau Erna nicht nachdenken, ohne gleich das Gegenteil zu spüren. Sie ist ein Chamäleon, sagte sie sich. Eine gewöhnliche kleine Schlampe, die ihre Gier und ihr Lauern auf Vorteile mit primitiven Mitteln bemäntelt.
    Mit der muss man aufpassen.
    Ihr Blick aber konnte sich am Körper der jungen Frau nicht sattsehen, und davon erstattete sie jeweils ihren Freundinnen in allen Einzelheiten Bericht.
    Nach ihrer Erfahrung sprach man heikle Dinge am besten sofort aus. Ihre Freundinnen lachten schallend. Was der Nínó wieder einfällt, was die wieder für Ideen hat.
    Über einen vollentwickelten Frauenkörper offen reden, das gehörte weder im Gerbeaud noch im Kaffeehaus Abbázia noch im Casino auf der Margareteninsel zu den konventionellen Gesprächsthemen.
    Eigentlich nirgends.
    Aber sie konnte noch so laut davon sprechen, ihr Befremdetsein ließ sich doch nicht unterdrücken. Was für ein mieses kleines Chamäleon. Eine wunderbare Figur, eine perfekte Erscheinung, das war nicht zu bestreiten. Auch wenn man nicht einmal sagen konnte, sie sei schön. Sie war nicht schön. Ach Gott, die niedrige kleine Stirn verrät ja gleich, woher sie stammt. Von ihren geistigen Fähigkeiten schweigen wir lieber. Auch ihr Charakter ist nicht über alle Zweifel erhaben. Aber eine Geschmacksverirrung hätte man vergeblich an ihr gesucht. Was Frau Erna im Grunde ärgerte, sie, die mit ihrem umfassenden kunstgeschichtlichen Wissen und ihrer gründlichen Ausbildung, sie, die früher mit Kunstschätzungen befasst gewesen war und im Kreis ihrer Freundinnen in Sachen Ästhetik als Expertin angesehen wurde.
    Eigentlich war sie nicht vom einwandfrei guten Geschmack der jungen Frau eingenommen, sondern von der speziellen Ästhetik dieses Geschmacks, von seiner trockenen Sparsamkeit. Sie konnte sie nicht anschauen, ohne sie als wertvollen Gegenstand zu sehen, auf den man achtgeben musste, Frau Erna hatte ein Gespür für wertvolle Gegenstände.
    Als habe die junge Frau eine trockene, spröde Oberfläche, während sie innen von aromatischen Säften schwoll. Als würde sie von einer tief in der Erde liegenden geheimen Ader genährt. Eine reiche Oase in der windigen Wüste. Ein in Treibsand verborgener kleiner See, ein heimlicher Teich.
    Als Erstes war sie darauf aufmerksam geworden, dass diese Frau in der Wohnung nichts herumliegen ließ, nicht so wie alle ihre hysterischen und chaotischen, manchmal nur auf ein paar Wochen, ja, ein paar Tage hier einziehenden Vorgängerinnen. Im Gegenteil, die hinterlässt kaum Spuren. Isst auffällig wenig. Hat kaum Sachen. Macht aber den Eindruck, als würde sie aus einer reichhaltigen Garderobe auswählen. Wählt immer richtig. Andere häufen aus Gier oder aus Unsicherheit Gegenstände an, der ganze heikle und dunkle Kunsthandel baut ja auf dieser emotionalen Labilität, sie hingegen kauft wahrscheinlich schon fehlerlos ein. Kauft das Einzelstück, das andere manchmal ein Leben lang nicht auszuwählen wissen. Sie

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