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Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Titel: Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gregory Browne
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Spinner, Schizos, Verrückte oder Irre. Meiner Ansicht nach besteht der einzige Unterschied zwischen meinen Patienten und jemandem mit Herzrhythmusstörungen darin, dass ein anderes Organ betroffen ist.«
    »Schon gut, Doc. Ich will niemanden beleidigen. Mein alter Herr war schließlich auch manisch-depressiv.«
    »Dann sollten Sie am besten wissen, welchen Schaden solche Etiketten anrichten können.«
    Blackburn zuckte die Achseln. »Das einzige Etikett, das wir für ihn hatten, war Arschloch. Aber ich nehme Ihre Kritik gern zur Kenntnis, wenn es Ihnen dadurch besser geht.«
    Tolan erwiderte nichts. In Wahrheit hatte er von seinen Mitarbeitern schon viel schlimmere Ausdrücke gehört.
    Er dachte an sein Jahr als Assistenzarzt und erinnerte sich, dass Brandopfer Schokocrossies genannt wurden und Kranke im Endstadium ETL – Ersatzteillager. Diese Sprache war eine Art Ventil, ein schwarzer Humor, um die langen schweren Stunden der ernüchternden Realität zu überstehen. Wahrscheinlich ging es den Cops auch nicht anders.
    Doch in letzter Zeit wurde er immer empfindlicher. Lag das an seiner Schlaflosigkeit? Hatte ihn der inzwischen ein Jahr währende Kampf mit den Schlafstörungen seiner Toleranz beraubt und ihn in einen hochnäsigen Mistkerl verwandelt, der sich ein Urteil über andere anmaßte?
    Tolan holte tief Luft, seufzte und sagte: »Nehmen Sie es mir nicht übel, Detective. In letzter Zeit bin ich etwas überempfindlich.«
    »Ganz im Gegensatz zu mir«, erwiderte Blackburn. »Aber damit kann ich leben, wenn Sie es auch können.« Er lächelte. »Ach ja, und nennen Sie mich Frank. Manche Leute meinen, der Name passt zu mir.«
    Tolan rang sich ein Lächeln ab. »Allmählich verstehe ich, warum.«
    Er öffnete die Eingangstür und bedeutete Blackburn, einzutreten. Seit mehr als neun Monaten kam er fast jeden Tag in die EDU, doch er konnte sich immer noch nicht an den tristen Anblick gewöhnen. Verblasstes Grün an den Wänden, eine Reihe von Metallstühlen, schäbige Tische mit Stapeln alter Zeitschriften. Aufgrund der Kürzung privater und öffentlicher Fördermittel waren Institutionen wie Baycliff gezwungen, sämtliches Inventar zu nutzen, bis es auseinanderfiel. Funktionalität ging über Ästhetik.
    Gleich neben dem Wartebereich befand sich ein vergitterter Sicherheitskäfig, der in das Labyrinth der Notaufnahme führte. Ein einsamer Wachmann saß hinter einem Schalter, darüber hing ein Schild mit der Aufschrift FLUCHTGEFAHR.
    Alles hier stand in krassem Gegensatz zu den schicken Praxisräumen, die sich Tolan einst mit Ned Soren geteilt hatte. Damals, in einem anderen Leben, hatte er Bücher signiert, war im Fernsehen aufgetreten und hatte Vorträge in ausverkauften Sälen gehalten.
    Normalerweise nahm Tolan nicht den Haupteingang. Wie die anderen Ärzte hatte er eine spezielle Keycard, mit der er jeden der drei Personaleingänge benutzen konnte, die sich an den Seiten und an der Rückseite des Gebäudes befanden. Doch laut Vorschrift war Unbefugten der Zutritt dort untersagt, also musste er mit Blackburn den vorgeschriebenen Weg gehen.
    Als sie sich dem Sicherheitstor näherten, sagte Blackburn: »Ich brauche Ihnen wohl nicht zu erklären, dass ein schnelles Ergebnis von entscheidender Bedeutung ist.«
    Tolan nickte. »Ich verstehe. Aber wenn die Frau an einer Psychose leidet, kann es Wochen oder sogar Monate dauern, bis man an sie herankommt.«
    »Das ist nicht das, was ich hören möchte, Doc.«
    »Ich kann keine Wunder vollbringen«, entgegnete Tolan. »Davon bin ich weit entfernt.«
    »Mag sein. Aber Sie sind immer noch näher dran als jeder andere.«
    6
    Solomon sollte seinen Chili-Hotdog nie bekommen. Nach dem Zwischenfall auf der Avenue war ihm der Appetit vergangen. Einige Stunden lang streifte er durch die Straßen und fühlte sich, als habe ihm jemand die Eingeweide herausgerissen. Immer wieder musste er an den wilden Blick dieser Augen denken, die Myras Augen hätten sein sollen und es doch nicht waren.
    Gegen Viertel vor sechs reihte er sich in die Schlange vor der Main Street Mission ein. Hier gab es ein recht ordentliches Frühstück, und obwohl er keinen Hunger hatte, hielt er es für das Beste, etwas zu sich zu nehmen, bevor sein Körper rebellierte.
    Ein junger Junkie namens Trinity, der ebenfalls Schlange stand, fragte ihn: »Alles klar, Sol? Siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
    Solomon hatte zwar etwas gesehen, aber keinen Geist. Geister waren Schwachsinn. Die gab es nur

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