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Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Titel: Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gregory Browne
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von Trommeln, und obwohl er Angst hatte, fragte er sich, ob er nicht etwas unternehmen musste. Jemanden warnen musste. Denn ganz gleich, wer dieser armen Frau Unrecht getan hatte und für den Schmerz verantwortlich war, der sie in diesem unerbittlichen Takt gefangen hielt – er würde sich bald wünschen, er wäre nie geboren worden.
    7
    »Jane X Nummer 314. Eingeliefert wegen 5150«, sagte Clayton Simm. Seine Schicht näherte sich dem Ende, und genau so sah er auch aus. Er hatte blutunterlaufene Augen, und die Ringe darunter waren so dunkel, als hätte er sich mit Tarnfarbe beschmiert. Simm stammte aus Seattle und war erst kürzlich in die Gegend von Ocean City gezogen. Er war Tolan von einem ehemaligen Harvard-Kommilitonen empfohlen worden und hatte schon bald seine diagnostischen Fähigkeiten und seinen ausgezeichneten Instinkt unter Beweis gestellt. Tolan hatte sich schnell mit ihm angefreundet, vor allem, seitdem er sich bereit erklärt hatte, den Nachtdienst zu übernehmen.
    Simm, Tolan und Blackburn hatten sich vor dem Bereitschaftsraum der EDU getroffen. Nun unterdrückte Simm ein Gähnen und zählte die Fakten auf.
    »Das Pflegepersonal hat sie gewaschen und angezogen. Ich habe sie untersucht und festgestellt, dass sie unterernährt, aber ansonsten gesundheitlich in guter Verfassung ist. Keine Verletzungen, abgesehen von einigen geringfügigen Prellungen an Armen und Beinen und einem ziemlich starken Bluterguss in der Nähe des rechten Wangenknochens. Keine Anzeichen für sexuellen Missbrauch. Sie ist etwa zweiunddreißig Jahre alt und weist eine deutliche Heterochromie auf.«
    »Heterowas?«, fragte Blackburn.
    »Heterochromie«, wiederholte Simm. »Ihre Augen sind von unterschiedlicher Farbe. Grün und Braun. Ist bei Menschen ziemlich selten, aber es kommt vor.«
    »Irgendwelche Anzeichen für ein Glaukom?«, erkundigte sich Tolan.
    »Das Ergebnis der Netzhautuntersuchung war negativ, keinerlei Blutungen oder Verletzungen. Ich vermute, die Heterochromie ist genetisch bedingt.«
    »Mir ist nichts Außergewöhnliches an ihren Augen aufgefallen«, sagte Blackburn.
    »Man sieht es nicht immer sofort«, erklärte Tolan. »Vor allem, wenn die Lichtverhältnisse nicht optimal sind.«
    »Die Patientin weist keine weiteren besonderen Kennzeichen oder Narben auf«, fuhr Simm fort. »Sie hat nur eine kleine Tätowierung an der linken Schulter – scheint eine Katze aus einem Comic zu sein. Bei ihrer Ankunft zeigte sie leichte Anzeichen von Katatonie. Leistete keinen Widerstand bei der Abnahme von Blut- und Urinproben, die bereits zur Untersuchung eingeschickt wurden. Laut Auskunft der Sanitäter gab es kurz vor dem Transport einen Ausbruch von Gewalttätigkeit in Verbindung mit hysterischer, desorganisierter Artikulation.«
    »Eine Lüge steht auf einem Bein, die Wahrheit auf zweien«, sagte Blackburn.
    Beide starrten ihn an. »Was?«
    »Das hat sie immer wieder gesagt. Eine Lüge steht auf einem Bein, die Wahrheit auf zweien. Immer und immer wieder.«
    Tolan stutzte. Der Satz stand in einem seiner Lieblingsbücher. Abby hatte es ihm zum 37. Geburtstag geschenkt. »Das ist ein Zitat aus ›Poor Richards Almanach‹ von Benjamin Franklin«, sagte er.
    Blackburn zuckte die Achseln. »Könnte ihr Verhalten durch Drogenmissbrauch bedingt sein? Möglicherweise hat sie schlechten Stoff erwischt oder war auf Speed.«
    »Ich konnte keine offenkundigen Anzeichen für Drogenkonsum feststellen«, sagte Simm.
    Blackburn starrte ihn an. »Das ist doch wohl ein Witz! Die Frau ist ein Junkie. Ihre Arme sind übersät mit Einstichen.«
    Simm warf erst Tolan und dann wieder Blackburn einen Blick zu. »Sind Sie sicher, dass wir von derselben Frau sprechen?«
    »Ich weiß, von welcher Frau ich spreche. Und Sie?«
    »Verzeihen Sie, Detective, aber ich habe die Patientin eingehend untersucht. Sie hatte ein paar kleinere Blutergüsse, aber ich konnte keine Einstichmale feststellen.«
    »Moment mal«, sagte Blackburn. »Das mit den Augen ist eine Sache, mag ja sein, aber Einstiche erkenne ich auf den ersten Blick.« Er wandte sich an Tolan. »Was ist hier los, Doc? Haben Sie neuerdings den Insassen die Leitung der Station überlassen?«
    Tolan verzog das Gesicht. Wenn Unverschämtheit eine Kunstform wäre, müsste man diesen Typen Picasso nennen. Er wechselte einen Blick mit Simm, dessen Körpersprache Abneigung gegen Blackburn verriet. Tolan konnte sich nur schwer vorstellen, dass Simm ein derart gravierender Fehler unterlaufen war,

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