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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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den schwachen Blütenduft ihrer Hautcreme wahr und gehe davon aus, dass sie wirklich noch schläft. Wenn nicht – auch gut.
    Vor mir liegt: Insidon besorgen, Fynn abholen, Interview geben.
    Eine gewaltige geistige und körperliche Energie, wie ich sie in letzter Zeit nicht erlebt habe, durchströmt mich. Ich fühle mich wie von einer Bürde befreit, von der ich nie wusste, dass sie auf mir lastete.
    Draußen sieht es mal wieder nach Schnee aus. Ein Wetterumschwung wäre
wirklich
längst überfällig, ist aber nicht in Sicht.
    Auf leisen Sohlen wechsle ich den Raum.
    Die Elektrobürste vibriert auf meinen Zähnen.
    Der Braun-Trockenrasierer gleitet über meine Wangen.
    Das Duschwasser prasselt auf meinen Körper.
    Der Kamm durchmisst meine Kopfhaut.
    Die Kleidungsstücke legen sich um meinen Körper.
    Die Hemdknöpfe bleiben nicht offen.
    Der Nadelstreifenanzug vermittelt einen tipptoppen Eindruck.
    Die Schnürsenkel werden zu Schlaufen.
    Esther steht unversehens hinter mir, unsere Blicke treffen sich im Spiegel des fensterlosen Ankleidezimmers. An den Türrahmen gelehnt, greift sie mit einer Hand hinter ihren Nacken und zieht ihre langen Haare über die Schulter nach vorne, sagt relaxt »Guten Morgen« und verweilt auf meinem Gesicht in überlegender und gleichzeitig feinfühliger Prüfung. Wie dasso ist nach dem ersten Mal, liegt etwas Unausgesprochenes zwischen uns. Eine der Tücken des Morgens danach. Wenn man noch nicht bereit ist, den Kommunikations- und Charme-Motor anzuwerfen.
    »Guten Morgen!« Ich fummle an meinem Christensen-Krawattenknoten herum, als wolle ich mich sammeln und Kraft schöpfen während kostbarer Sekunden aufgesetzter Betätigung. Der Christensen geht ganz einfach, in drei Schritten. Ich sage, nur um irgendetwas zu sagen, immer noch in den Spiegel spähend: »Hab ich geschnarcht?« Jeder glaubt, nicht zu schnarchen, obwohl er es selbst nicht wissen kann. Sie lächelt: »Das wollte ich dich gerade fragen.« Ich drehe mich um, strecke die Hand aus, um ihren Hintern zu kneten, sehe an ihr herunter, knete ihren Hintern und brumme: »Mein T-Shirt steht dir gut!« Ohne damit besonders originell sein zu wollen.
    Ich schaue auf meine Armbanduhr. Zeit zu gehen.
    Darum sage ich nicht: »Wo waren wir stehengeblieben?«, sondern: »Ich muss los«.

47
    Auf mindestens vier Titelseiten prangt mein Gesicht. Erst jetzt, in ihren aktuellen Morgenausgaben, ziehen die Zeitungen mit Fernsehen, Radio und Internet in Sachen aktueller Berichterstattung gleich. Ich stehe fassungslos vor den sechs Zeitungskästen am Straßenrand. Sich da selbst abgebildet zu sehen … Erneut lauter Schnappschüsse, von denen ich gar nicht wusste, dass sie existieren. Auch ein paar, die schon älter sind, auf denen ich noch jünger bin. Wo haben die die her? Das ist so befremdlich, wie ein Wachtraum. Man macht sich keine Vorstellung. Wie ein seltsamer Vorgeschmack auf etwas Obskures, noch Verborgenes. Und meine Nase … also, meineNase auf den verschiedenen Bildern zeigt manchmal nach links, manchmal nach rechts. Und das ist gerade noch das Geringste.
    Dicke, nasse, langsame Schneeflocken fallen in weiten Abständen zueinander auf den Boden und schmelzen sofort zu Wasser. Ich habe eine dünne, schwarze Wollmütze auf, weil ich im Winter nicht mit nassen Haaren ins Freie gehe.
    Eine Frau (G-Mensch) mit Schoßhündchen an der Leine geht ziemlich nah an meinem Rücken vorbei. Bin ich im Weg? Geht’s? Geht’s noch näher? Das tut es, in Form ihres weißen Kläffers. Der, der in der Werbung von seinem Futter immer ein Stück Petersilie übrig lässt, schnuppert neugierig an meinem Wadenbein, igittigitt, als würde er was wittern, und die Omma sagt so etwas wie: »Wirst du wohl!«. Ich sehe mich nicht um, ziehe meinen Kopf ein, weil ich fürchte, sie könnte mein Gesicht mit den Zeitungskonterfeis abgleichen und mich identifizieren. Natürlich ist sie viel zu alt, kurzsichtig, anderweitig beschäftig und überhaupt, bin ich nicht der Mittelpunkt der Welt. Aber mir krampft sich trotzdem alles zusammen. Hund und Weib ziehen weiter ihres Weges.
    Ich zücke mein Portemonnaie und werfe anstatt der 70 Cent eine Ein-Euro-Münze in den AZ-Zeitungskasten. Es macht ein metallisches Klack. Hab’s nicht passend. Ich stecke den Geldbeutel wieder in meine Hosentasche und ziehe mir gleichzeitig ein Exemplar aus dem Kasten. Aus einer Entfernung von sechs, sieben Metern beobachtet mich eine kleine Frau (D-Mensch) mit streng zusammengezurrtem

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