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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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selbstverordneten Vorsicht brechen. Ich kenne mich fast selbst nicht mehr. Ich fahre unbeirrt fort.
    »Nun, ich wurde von meinen Adoptiveltern also einfachwieder zurückgegeben. Storniert, reklamiert, wie Sie wollen. Was mir blieb, war der Name. Konrad Spengler. Der Name, den
sie
mir gegeben hatten. Leute erheben Anspruch auf jemanden, indem sie ihm ihren Namen geben und dann über ihn verfügen können. Mit der Verleihung eines Namens stempeln sie dir ein Etikett auf und erklären dich zu ihrem Eigentum. Ich war ihr Eigentum, das sie eben auch einfach wieder abschieben konnten. Ganz einfach. Aber sie nahmen ihren Namen nicht wieder mit, als sie mich zurückgaben. Vielleicht erschien ihnen das zu grausam. – Spengler, also. Bei einem großen Brand im Heim, knapp zehn Jahre später, kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag, fielen fast all meine Habseligkeiten dem Feuer zum Opfer oder nahmen beträchtlichen Schaden. Viel hatte ich ja nicht.
Viel hatte ich ja nicht
klingt komisch, oder? Haha – Nun …«
    Das war noch nicht alles. Ich werde ehrlich sein. Keine Geheimniskrämerei. Wo denken Sie hin? Ich möchte menschlich rüberkommen. Ein wenig mein Herz öffnen, um ein greifbares Bild von mir abzugeben. Da kenne ich keine Gnade. Ich tue geradezu so, als erwarte ich dadurch Absolution! Ich habe gleichzeitig das Gefühl, die drei hinters Licht zu führen! Und mich dazu! Die kommen hierher und möchten ein unverfängliches Interview führen. Die Armen. Ich verhalte mich nicht regelkonform. Macht ja nichts. Wartet, was jetzt kommt!
    Ich mache weiter: »… (räuspern) Aber bei dem Feuer wurde mein Kinderausweis, der zusammen mit den Ausweisen aller anderen Kinder im Sekretariat hing, angesengt. Als mir der neue Pass ausgestellt werden sollte, musste ich persönlich auf dem Kreisverwaltungsreferat vorstellig werden. Ich tat dies mit einem Berechtigungsschein der Gemeinde, da ich meine Volljährigkeit kurz zuvor erlangt hatte und mein Ausweis zudem sowieso von mir persönlich auf einen Erwachsenenpass umgestellt werden musste. Es war alles ein heilloses Durcheinanderim Heim, zu der Zeit. Ein großer Wirrwarr. Wir wurden in Notunterkünften untergebracht. – Wie auch immer, das ist eine andere Geschichte. – Also, die Buchstaben im Ausweis waren von Ruß und Abriss teilweise unkenntlich gemacht worden. Erkennen ließ sich nur noch -onrad --peng--. Aber der Beamte im Kreisverwaltungsreferat las sich nicht mal das genau durch. Lange Warteschlange hinter mir, Montagmorgen, weiß ich noch genau. Er ließ sich vollkommen desinteressiert von mir alle Daten diktieren. Ich schaltete schnell und waltete beinahe nach Belieben. Also ließ ich statt des K ein C als ersten Buchstaben meines Vornamens eintragen, und den Nachnamen schrieb er auf, wie vorgesagt. P – E – N – G. Das ist auch der Grund, weshalb mit einem Meter 92 ein um zwei Zentimeter größerer Wert meiner Körpergröße im Pass eingetragen steht. Sieht besser aus, befand ich damals. Führungskräfte im Management sind selten unter 1,85. Da gibt es Statistiken. Haben Sie das gewusst? Ich schweife ab, Verzeihung.« Ich verhalte mich wie ein Narr, was mir durchaus bewusst ist. Und doch ist mein Geist glasklar. Mit bleibt nur der Versuch einer Schadensbegrenzung. Ich überlege hin und her. Rede dabei weiter. »Und seitdem stehen diese Daten in meinem Pass. Und ich war diesen verhassten Nachnamen Spengler los. Die Spenglers, die schon die zweiten Eltern waren, die mich sitzenlassen haben.«
    Ich bin ja nicht aufzuhalten. Zu viel Info, zu viel Emo, zu viel Ausschmückung. Ein Vabanquespiel sondergleichen, was ich hier durchziehe, darüber bin ich mir im Klaren. Habe aber keine Kontrolle mehr.
    »Ich habe eine kleine Narbe unter dem rechten Auge. Sehen Sie?« Ich halte den Kopf schräg. »Habe ich mir wohl als Kleinkind beim Spielen zugezogen. Jahrelang glaubte ich felsenfest, die Narbe sei der Grund, weshalb ich von zwei verschiedenen Elternpaaren verlassen wurde. Können Sie sich so was vorstellen?Kinder sind so dumm, weil sie an die Unfehlbarkeit der Erwachsenen glauben und die Schuld immer bei sich suchen.« Ich lege mein Gesicht in Falten. »Bis ich in die Pubertät kam, waren meine Schuldgefühle, etwas falsch gemacht zu haben, oder dass etwas an mir nicht stimme, so groß wie ein riesiger Berg, der immer gleich groß blieb, egal, wie lange ich in die entgegengesetzte Richtung lief.«
    Na bravo. Diese Story hat mehr tragische Momente als »Vom Winde verweht«. Wie

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