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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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ich bemerke, changiere ich Plaudertasche mittlerweile zwischen Schmäh- und Nachrichtensprecherton hin und her.
    Unverändert versuchen die Gesichtsausdrücke der drei Zeitungsfritzen ein dreifaches Halleluja zu verhüllen und was sonst noch. Ja, die Hyänen wittern Stoff. Eine Geschichte in der Geschichte. Sie weiden sich an meiner Selbstentäußerung. Sollen sie. Fragt sich nur, wer hier wen benutzt. Die Entscheidung verschiebe ich auf später. Ich wage es nicht, Fynn anzuschauen.
    Während ich spreche, denke ich auf einer zweiten Ebene dauernd an ihn. Ich denke schon seit Ewigkeiten daran, ihn zu adoptieren, obwohl ich bislang noch nicht so weit war. Voller Verzagtheit. Doch die kuriose Verdichtung von Ereignissen der letzten Tage. Die letzte Nacht mit Esther, mit ihr zusammen könnte ich Fynn zu mir holen, zu uns (?) holen … Was wäre wenn … Wie oft habe ich schon hypothetisch eine Zweckhochzeit mit irgendeiner Lesbe durchgedacht, bloß um vor dem Gesetz seine Adoption problemlos zu gewährleisten, habe das immer im Hinterkopf behalten, aber das war letztlich zu abseitig, das ganze Drumherum zu riskant, Lesbenpack, Unzuverlässigkeit, unvorhersehbare finanzielle Folgen und Forderungen, welche vertrauenswürdige Frau würde sich auf so eine Sache schon einlassen, vertraue niemandem, und ich hatte bislang doch beruflich bedingt keine Zeit, ich bin nochnicht reif, war noch nicht reif, ich weiß auch nicht, was ich bin … Aber jetzt, wo ich Esther gefunden habe … Gefunden habe!!! Wie sich das anhört! Bin ich total neben der Spur? … Esther? … Ja, das wäre doch ein gangbarer Weg. Das würde ich gern glauben.
    Ich wage es nicht, Fynn anzuschauen, denn ich gefalle mir selbst nicht. Ich missfalle mir, was mich jedoch nicht daran hindert, fortzufahren und Meier/Meyer abwechselnd anzustarren, als ich sage: »Und so wurde aus Konrad Spengler: Conrad Peng.«
    Und so wird dieses Interview endgültig zur Freakshow.
    »Pünktlich zum Achtzehnten«, füge ich noch an und mache eine unbestimmte Geste. Mein Lächeln bringt auch die beiden zum Lächeln, aber deutlich schwächer. Der Redakteur befeuchtet seine Unterlippe mit der Zunge, Blut geleckt, seine Augen glänzen. Er mustert mein Gesicht. Jetzt vernachlässigt
er
seine Deckung.
    »Ist ja interessant, das mit Ihrer Lebensgeschichte. Sie sind also ein Adoptivkind? Und Ihr Heim ist abgebrannt? Aha. Wissen Sie, eine Kollegin recherchiert gerade zu diesem Thema.«
    Ja, was ich zu diesem Thema zu sagen habe, da kann jeder andere nur gegen abstinken. Und aus!
    Mit einem Mal habe ich keine Lust mehr weiterzureden, weil ich mein Pulver nicht verschießen möchte. Wozu auch? Habe ich nicht nötig. Morgen im ZDF habe ich noch genügend Gelegenheit.
    Deshalb gewähre ich den Spieglern – der Höflichkeit geschuldet – noch eine Zugabe meiner Bio, etwas abgespeckt, aber durchaus gewürzt mit einigen Einblicken in meine beschissene Jugend. Ich verrate nicht zu viel, nicht alles. Das sowieso nicht.
    Ich mache auf zartbesaitet, als ich wenige Minuten spätereinfach aufstehe und den drei Herren nacheinander die Hand reiche. Natürlich nehme ich nicht an, dass meine Popularitätskurve dadurch exorbitant steigt. Aber sie haben mehr, als sie erwarten durften.
    Ich unterzeichne einen dichtbedruckten DIN A4-Zettel, von dem Joels Kollege mir gesagt hat, das ginge in Ordnung. Wenn er das ist, der Zettel. Wird er schon sein. Wie oft habe ich schon was unterzeichnet, unter der Prämisse: Geht schon klar.
    Kuli auch zurück. Bitte sehr – danke sehr. Und raus hier. Bis zum nächsten Mal. Ich nehme Fynn bei der Hand. Aufzug, Erdgeschoss drücken. Aussteigen. Hotellobby. Ich sage: »Muss mal, komme gleich.« Er wartet vor der Toilette. Ich stehe am Pissoir, lasse Red Bull und Mokka wieder zu Wasser werden und sehe dabei aus dem Augenwinkel auf dem Boden einer offen stehenden Klokabine eine schwarze Brieftasche am Boden liegen. Unter dem runden, silbernen Papierspender. Sie lacht mich an. Nimm mich! Gier! Blitzschnell reagiere ich, stoppe meinen Strahl und gehe mit meinem Schwanz in der Hand in die Kabine, schließe die Tür, bevor noch jemand reinkommt und mein Vorhaben vereitelt, sperre ab und pisse hastig in die Schüssel zu Ende. Dann stecke ich mein Gemächt in die Hose und greife nach dem Portemonnaie. Öffne es. 1200 Euro in bar (lauter Hunderter) liegen lose in dem aufklappbaren Lederetui. Außerdem ein paar Visiten,- Tank-, und Kreditkarten und Quittungen. Sauber gefaltet, ein

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