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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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Schwanz wieder kurz davor raus und spritze ihr auf den Bauch. Sex ohne Kondom: die beängstigende Nachlässigkeit zweiergeiler Erwachsener. Wegen meiner Zeugungsangst sollte ich vielleicht mal über eine Sterilisation nachdenken. Mach ich eh nicht. Das ist wie mit Haarimplantation. Überlege ich mir auch manchmal und weiß, dass es Unsinn ist. Wir reden im Bett. Beide nebeneinander auf dem Rücken liegend. Ich höre ihr nur mit halbem Ohr zu, ihr munteres Geplauder schwirrt um mich herum, ohne jemals wirklich den Zugang zu meinem Inneren zu finden. Bis zu dem Punkt, an dem sie davon zu sprechen beginnt, wie sich ihre Verliebtheit über die vergangenen Monate entwickelte. Heimlich und abwartend. Sie sagt sogar etwas im Sinne von: Sie glaubt nicht an Zufälle. Und etwas im Sinne von: Sie ist gerade so froh, dass sie keine andere ist. Sie wird doch nicht anfangen, poetisch zu werden. Ich muss feststellen, dass mir ihre Äußerungen unangenehm sind. Irgendwie trostlos. Redet jemand über amouröse Gefühle, habe ich immer mehr oder weniger den Eindruck, es handle sich dabei um Ironie. Und spätestens da habe ich begriffen: Ich kann wirklich nicht lieben. Sie nicht und keine Frau. Ich hatte es erwogen. Versuch und Irrtum. Meine Liebeseuphorie von gestern ist vorbei. Die stürmische erste Phase einer neuen Beziehung war bei mir noch nie lang, aber die Intervalle werden immer kürzer. Bin längst zu entzaubert von allem. Wohl aus dem Grund fühle ich mich so unbehaglich bei ihren gefühligen Worten. Es ist nun mal einfach so, dass die Gefühle von verliebten Menschen auf einen Nichtverliebten immer lächerlich wirken. Ich bin felsenfest überzeugt, wüssten wir nicht aus der Literatur und Hollywood, dass es die Liebe gibt, nicht mal ein Bruchteil der Menschen würde sich in seinem Leben auch nur ein einziges Mal verlieben. Wir sind alle Nachäffer. Nichts weiter. Und ich tauge nicht mal dazu – zum Nachäffen.
    Esther zupft mir am Ohrläppchen und kuschelt sich an meine Schulter, ich decke uns zu. Und es erfüllt mich beinahemit wissenschaftlichem Interesse, als sie ihren Kopf hebt und ohne erkennbaren Zusammenhang, in einem Tonfall, mit dem man sich über sich selbst wundert, lächelnd zu mir sagt: »Eigentlich bist du ja überhaupt nicht mein Typ.« Es ist keine Frage, aber sie guckt so, als wäre es eine. Mir ist klar, dass sie das als großes Kompliment versteht. Weil sie damit verdeutlicht, dass dieser Sachverhalt ihre Zuneigung noch wertvoller und gewichtiger erscheinen lässt. Dies ist kein schlecht getarntes Spiel mit der Verletzlichkeit. Tatsächlich habe ich diesen selbstgefälligen »Du bist eigentlich gar nicht mein Typ,
aber
!«-Käse schon öfter als Schmeichelei gehört. Es ist die überdrehte Freimütigkeit der Liebe, die da spricht. Ich verstehe das schon. Aber ich für meinen Teil würde Esther nie sagen, dass sie nicht mein Typ sei. Würde ich nie drauf kommen. Das wäre für nichts gut. In ihrem Hinterkopf bliebe sonst bloß immer das Gefühl, trotzdem nur zweite Wahl zu sein. Manche Dinge bleiben besser ungesagt. Denn dazu muss man Folgendes bedenken: Man teilt damit leichtfertig mit, dass man an dieser Person genau die Eigenschaften schätzt, die auf dem Markt der Eitelkeiten nichts wert sind!
    Ich erzähle Esther nichts von meiner Begegnung mit Patrick vorhin. Es ist mir zu peinlich, darüber zu berichten, wie ich einen Elfjährigen bedroht habe.
    Sie schaut mich immer noch an, wohl auf eine Reaktion wartend, und ich bemerke, wie ich gedankenversunken durch sie hindurch sehe. Ich reiße mich sofort zusammen. Lächle. Sie küsst mich auf die Stirn. Okay, ich weiß nun also, dass wir beide nicht des anderen Typ sind, und halte das gar nicht mal für die schlechteste Voraussetzung. Also murmle ich ein verspätetes »Aha«, in Ermangelung einer besseren Antwort, gucke amüsiert, lege meinen Arm um sie und gebe ihrer Schulter einen Stups. (Eine Imitation von Intimität.) Und lasse es dabei bewenden. Sie lässt die Lider sinken. Wie gesagt, mich wundertan Esthers Aussage weniger der irrelevante Inhalt als vielmehr der eklatante Mangel an Nutzen. Weiter nichts. Ich kann damit leben. Und vielleicht sogar ein bisschen mehr. Ich werde sie heiraten und Fynn adoptieren. Das wäre eine Möglichkeit. Wenn’s nach mir ginge. Und ich habe das Gefühl, dass diese Planung gar nicht so gewagt ist und weit weniger voreilig, als sie klingt. Auch wenn ich mich damit gerade ein bisschen selbst überrasche und

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