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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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innerhalb weniger Minuten bin ich maßlos erleichtert! Es geht also zu meinen Konditionen weiter.
    »Dann stelle sicher, dass das auch so bleibt«, sage ich, so mafiös klingend, wie es mir möglich ist, und entferne mich rückwärts gehend aus dem Szenario, drehe mich um und gehe dann vorwärts weiter. Ziemlich schnell, ziemlich unsouverän, fürchte ich. Halbgare Aktion war das, wirklich wahr. Amputation! Ich schlucke gegen eine Hitzewallung an. Obwohl es scheint, als hätte sich die Luft um weitere zehn Grad abgekühlt. Auf einmal habe ich wahnsinnige Nierenschmerzen.
    Schnell bin ich beim Auto und ziehe die Tür auf. »Hey«, höre ich von hinten. War ja klar. Er weiß einfach nicht, wann Schluss ist. Auf dem Absatz kehrtmachen? Doch rabiat werden? Fresse zu Brei? Ich gebe mir einen Ruck und ersticke den Impuls. Ignorieren? Ja. Erst mal nicht umdrehen. Ich setze einen Fuß in den Wagen. Patrick ruft in meinen Rücken: »Hey, Sie, kenn ich Sie nicht aus dem Fernsehen oder der Zeitung, oder so?«

51
    Ich tupfe die dampfende Pizza mit Küchenpapier ab. Fettige Tiefkühlware aus dem Backofen, mittlere Güte und Preisklasse. Habe ich gerade richtig Lust drauf. Ich schmecke sowieso nichts. Ein abstoßend buntscheckiger Fisch kreiselt durch meinen kleinen Pazifischen Ozean hinter der Glasscheibe, zwei Meter entfernt. So ein stolzer Sultan, dessen gebogene Nase an einen Schnabel erinnert. Er schaut drein, als würde er Trübsal blasen. Ich habe keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht, aber vielleicht möchte er ja zum Trost ein Stück von meiner Pizza, was aber leider aus technischen Gründen nicht geht. Und das sage ich ihm auch genau so.
    Ich überlege, was wohl geschieht, wenn ich ein Insidon ins Aquarium werfe und es sich dort langsam auflöst?
    Meine Wohnung ist scheißkalt, weil ich heute Morgen vergessen habe, die Heizung anzumachen. Fernwärme, kein Thermostat mit Automatik. Aber schön langsam wird’s.
    Mein Handy läutet permanent. Hab es auf stumm geschaltet. Eine Dauervibration. Ben meldet sich gar nicht mehr. Ich rufe ihn zwar auch nicht an, aber ich hatte stets den Eindruck, er sei immer der, der sich zu melden hat. Das ist bei uns so.
    Ich wandere mit der durchgebogenen Pizza in der Hand im Kreis, was ich oft tue, wenn ich intensiv nachdenke. Von der Spüle zum Tisch zum Aquarium zum Fenster. Und so fort.
    Durch die grünliche Wasserwand kann ich ins Wohnzimmer sehen. Ich richte ein Auge auf den dort laufenden Fernsehapparat, in dem gerade eine Sendung im Gedenken an Lady Di läuft, während mir erst jetzt richtig bewusst wird, dass mein anderes Ich versucht hat, sich gestern Nacht in diesem Flugzeug das Leben zu nehmen. Das will mir nicht in den Kopf. Dabei ist die Sache schrecklich deutlich. Auch wenn ich zugeben muss, dass es mich nicht so ergreift, wie es sollte. Dieses Erlebnis kommt mir vor wie eine Form von Hyperrealität, und ich habe das ungute Gefühl, es liegt außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs.
    Auf der Mattscheibe hinter dem Aquarium wird derweil weiter Ihre Hoheit Lady Diana Spencer gehuldigt. Verschiedene Prominente sagen was Nettes über die seit nunmehr vierzehn Jahren tote Prinzessin der Herzen. Ich kann mich noch gut erinnern, welche Bestürzung ihr Ableben ausgelöst hat. Und wie ich mich gefragt habe, weshalb eine geistig schlichte, talentlose Nymphe ein solch hohes Maß an Identifikationspotenzial aufweist. Millionen Idioten beweinten hysterisch den Tod einer Ex-Kindergärtnerin, die von der Promotion-Abteilung des Buckingham Palace ab und an mit ein paar Fotografenin die Krebsstation eines Krankenhauses geschickt und zum Gutmenschen stilisiert wurde, indem sie mitfühlend Kindern mit
echten
Problemen über den Chemo-Glatzkopf streichelte. Bevor es um zwei dann zügig ins
Ritz
zum Lunch ging. Mit Eskorte und Rittmeister. Eine Frau, deren Lebensleistung im Wesentlichen im Schüchtern-Dreinschauen, Promi-Männer-klarmachen und Sich-leer-kotzen bestand. Ich verstehe das nicht.
    In derselben Woche starb auch Mutter Teresa. Hat kaum einer mitbekommen. Nicht titelseitentauglich. Die sah im Vergleich aber auch wirklich scheiße aus.
    Ich schweife ab.
    Mit nur noch wenig Appetit beiße ich in den wässrigen Teig, schmecke die Sardellen und gehe weiter im Kreis.
    Jeder hat schon mal daran gedacht, sich umzubringen. Man stimuliert in bewusster Unentschiedenheit das Melodramatische seines Seelenlebens, bündelt die eigenen Ängste und lässt sie vor sich hertreiben, Richtung Tod. Aber

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