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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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Vorschlag hältst! Hast du mich verstanden? – Ist doch ein guter Deal, oder? Du kümmerst dich um Fynns Sicherheit, und ich kümmere mich um deine. Glaub mir, ich weiß, wie ich dir das Leben zur Hölle mache, Patrick.«
    Man muss die Sprache sprechen, die verstanden wird. Eindeutigkeit lautet die Devise. Ich sehe ihm an, dass er mir glaubt.
    Vielleicht liegt’s an meiner Authentizität und Szenekenntnis oder der Echtheit meiner unbändigen Wut. Meine Miene zeugt von felsenfester Entschlossenheit, meine Worte treffen ihn wie ein schnelles, hartes Geschoss. Er fühlt sich offensichtlich wie eine Plastikpuppe nach einem schweren Einschuss. Versucht zu begreifen, wie ich drauf bin. Sieht den Wahnsinn in mir. Und ich spüre den Wahnsinn in mir. Ich bin nicht zumScherzen aufgelegt. Er zittert und fühlt, gerade ist alles möglich. Kurz muss ich daran denken, was für ein anderer Mensch ich vor nur zehn Minuten war, als ich noch mit Fynn im Auto saß. Oder heute Nacht mit Esther. Oder gestern mit Ben im Flieger. Oder einst. Vor jedem, dem ich gegenüberstehe, bin ich ein anderer Mensch. Und jetzt bin ich die Version gemeingefährlicher Schädelspalter. In der abgespeckten Version für Kids. Ich und Patrick. Er stößt sich von meiner Hand ab und drückt die Brust heraus, um härter zu wirken.
    »Wenn Sie mir was tun, werde ich …«, er versucht die Polizei-Richter-Anwalt-Schiene, die bei Kindern immer so jämmerlich altklug und hilflos wirkt. Kratzbürstig und widerborstig. Netter Versuch. Das bringt mich vollends auf die Palme. Ich unterbreche ihn jäh.
    »Komm, halt’s Maul!«
    »Wenn Sie mich verprügeln, dann …«
    »Verprügeln? Das hast du jetzt gesagt«, flüstere ich und lege meine Hand in dramatischer Geste auf seinen Arm, so als sei er gerade im Begriff, mich völlig misszuverstehen. Ein Stimmungsumschwung jagt den nächsten.
    Ich steche mit dem Finger in seine Richtung. »Zum Krüppel mach ich dich …« Ich halte ein, denn plötzlich merke ich, dass ich auf verlorenem Posten bin. Entweder ich gebe ihm jetzt noch etwas Handfestes mit auf den Weg, oder die Sache löst sich ungelöst auf. Ist die Unsicherheit in meinem Gesicht erkennbar? Ich bin an einem ziemlich toten Punkt. Fühle mich lächerlich. Ist das albern. Die Furcht davor, meine Machtlosigkeit könnte auffliegen, lässt mich mich selbst ganz weit weg wünschen. Gleich kommt sicher jemand vom Heim angerannt oder vielleicht sogar die Polizei. Patricks Kumpels haben hundert Pro Bescheid gegeben. Ein Segen, dass wenigstens kein Passant vorbeiläuft.
    Ich beuge mich vor und stütze die Hände auf die Knie. Erzuckt zurück, als ich das tue, und seine unwillkürliche Reaktion befriedigt mich auf eine kleine, miese Art und Weise.
    »Wurde dir schon mal was amputiert? Irgendwas? Finger, Zeh, Ohr, irgendwas?« (So ein Blödsinn!
Amputiert
! Blamabel. Aber was soll ich sagen? Was soll ich machen?) Hoffentlich kommen wir nicht zu diesem heiklen Moment, in dem die Kräfte kurz erstarren und sich dann umkehren. Würde er sich mir komplett widersetzen, könnte er meinen Plan nämlich mit einem Schlag zunichtemachen. Ich kann ihm ja gar nichts tun, und er könnte dahinter kommen. Alles hängt gerade an einem seidenen Faden. Die reine Zitterpartie.
    Da steht es mir plötzlich vor Augen. Ich bin wieder ein kleiner Junge. Es ist so lebendig. Seltsam, wie sehr ich mich mit einem Mal wie neun oder zehn Jahre alt fühle, wenn ich so in Patricks Fratze schaue. Seine dummen, wilden Augen. Ein entsetzliches Gefühl der Schwäche überkommt mich. Wie früher. Es hört nie auf, dieses tief in mir verwurzelte Unterlegenheitsgefühl. Der Martialischere, Tierähnlichere, Archaischere ist immer der Stärkere und lässt sein Gegenüber alt aussehen. Ein System sozialer Hierarchie. Das ist die Gewalt des Ursprünglichen. Und das täuscht keineswegs. Letztlich habe ich gegen diesen dumpfen Neandertaler nicht die geringste Chance. Auch nicht, wenn uns 20 Jahre Altersunterschied trennen. Eine Differenz noch dazu, die sich von meiner Warte aus, der des Älteren, viel geringer anfühlt als von seiner.
    Unversehens können meine Überlegungen eine Pause einlegen, denn Patrick schüttelt, auf einmal wieder ziemlich verängstigt und fast ehrfurchtsvoll, den Kopf: Nein-mir-wurde-noch-nichts-amputiert!
    Die Pupillen so groß, dass jegliches Weiß aus seinen Augen verschwindet. Mein Glück! Mit elf ist man eben doch noch auf der Schwelle zwischen Playmobil und Präservativ. Zumzweiten Mal

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