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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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Aufregung im Büro herrscht.
    Ich stelle mein Messer auf seine Spitze und lege die Mitte meiner Handfläche, die noch von der Kerze angesengt ist, auf das hochragende Ende. Dem Arm einer Marionette gleich, kreise ich mit der aufgespannten Hand, als würde ich das auf dem Kopf stehende Besteck balancieren. Diese Position halte ich, bis mir das Messer nach unten wegrutscht. Mein Kopf verdreht sich, als ich dabei zusehe.
    Esther erzählt mir: »Lutz hat Ben und mich gestern Abend noch zu sich ins Büro zitiert. Er hat uns in die
Angelegenheit
mit Air Linus eingeweiht.«
    Ich nehme zur Kenntnis, dass sie das Wort Angelegenheit besonders betont. Jetzt bin ich also schon eine
Angelegenheit
!
    Sie druckst herum, schiebt ihre Tasse an sich heran.
    »Hast du den Vorstand der Fluggesellschaft wirklich beleidigt, Connie? Und unser Leistungsangebot schlecht geredet? Das kann ich einfach nicht glauben. Ich meine, du sollst ziemlich …« Sie sucht nach dem Wort, mir zittern plötzlich die Beine, aber ich glaube nicht, dass sie es bemerkt. »Du sollstziemlich, äh, ruppig geworden sein. Und …« Als ich anfange zu lachen – ruppig!, ruppig?, gütiger Himmel, wovon reden die alle?, was wird hier eigentlich gespielt? –, unterbricht sie sich, und ich stoppe abrupt mein blödes Gelächter. Es ist, als wäre ich plötzlich wieder nüchtern, obwohl ich gar nichts getrunken hatte.
    Ich stoße mir das Knie an dem eisernen Mittelfuß des Tisches.
    Schmerz – Knie. Fehlkonstruktion – Tisch. Reiben – Knie. Aber ich habe alles unter Kontrolle.
    »Stimmt das, was Lutz uns erzählt hat? Hast du jemanden von denen körperlich bedroht? Ist das wahr?«, fragt sie, als sei eine einfache Antwort auf unerklärliche Weise ihrer Aufmerksamkeit entgangen. Mir fällt auf, dass es mir ähnlich geht. Entweder jemand kompromittiert mich gezielt (eine
maue
Verschwörungstheorie!), oder – oder was? Meiner Erinnerung nach war mein Verhalten tadellos, professionell, charmant. So wie immer eben.
    Oder aber, ich habe irgend so was wie … Aussetzer. Die Vorwürfe klingen danach, als hätte ich Aussetzer. Und zwar nicht nur in Hinsicht auf mein Erinnerungsvermögen (das ist mir schon klar), sondern auch in der Art meines Verhaltens. Aber das kann nicht sein. Das darf nicht sein.
    »Ähm, Lutz sagte mir, er würde die
Angelegenheit
noch geheim halten und sich erst mit Wendelen besprechen. Also, ich bin jetzt ein wenig irritiert, dass du davon weißt, Esther«, rede ich etwas geschwollen betont herum. In dem Moment fällt mir ein, dass mir diese Zusicherung gegeben wurde,
bevor
ich Robert Lutz den absurden FuckPissShit-Bericht geschickt habe. Und daran, diesen Bericht geschrieben zu haben, kann ich mich ja auch nicht erinnern. Das ist Jekyll & Hyde in Reinkultur.
    Auflösungserscheinungen.
    Esther sagt, sie wisse auch schon von dem Brief. Lutz habe vorerst nur sie und Ben ins Vertrauen gezogen, weil sie beide die mir nahestehendsten Personen im Büro sind. Sonst niemanden.
    Na, Gott sei Dank.
    »Lutz ist total betroffen. Er lässt es sich nicht anmerken, aber er ist wirklich schockiert. Er sucht nach Lösungen. Ihm liegt wirklich viel an dir, habe ich das Gefühl. Nach wie vor. Aber das weißt du ja. Ben sagt auch … Ben findet auch, dass er …« Sie bricht ab, und ich erkenne, wie sie sich über mein erneut aufloderndes künstliches Lachen wundert. Ich wünschte ebenfalls, ich könnte es komischer finden, was sie mir da erzählt. Ich wünschte, mein Lachen könnte mich von hier forttragen. Weit fort, bis von der Scheußlichkeit der sich anbahnenden Erkenntnis nichts weiter übrigbleibt als ein einziger großer Irrtum. Leise höre ich sie sagen: »Conrad, wir können uns das nicht erklären. Stimmt das alles? Bitte, sag was.«
    Fragen, Fragen, nichts als Fragen. Ich werfe ihr noch einen überbrückenden Woher-soll-ich-das-denn-wissen-Blick zu, bevor mir schwindlig wird. Flackern. Und mir wird mit deprimierender Klarheit bewusst: Mein Stern ist im Sinken begriffen. Als hätte ich es immer geahnt. An den großen Tisch, zu den großen Jungs gehöre ich nicht. Jetzt nicht und nie.
    Ich höre: »Kann es denn sein … könnte es denn sein, dass … dass du – ich habe mir das so überlegt, ich denke viel … ich habe viel darüber nachgedacht. Könnte es denn sein, dass du in letzter Zeit einfach … einfach nur manchmal nicht ganz du selbst bist?« Esther, behutsam. Es scheint sie ernsthaft zu beschäftigen. Es ist sonst nicht ihre Art, das Offensichtliche

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