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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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mir als Vorspeise entweder Tom Yam Gung oder Tom Yam Gai oder Wan-Tan mit Krupuk vor. Als Hauptspeise stelle ich mir Koloyu, Gung Po oder aber Sukiyaki mit ordentlich Ateca Dressing zur Disposition. Dazu einen Salat, hier entweder Yam Pla Müg oder Yam Te Le, jedochklingt die Zusammensetzung mit einer Portion Yam Nüa Namtog auch ganz lecker. Sonst keine Beilagen. Ich werde spontan entscheiden, wenn der Kellner kommt.
    Ein Gericht heißt Yum Gu
Peng
. Aber mein Nachname hat nichts mit asiatischer Abstammung oder chinesischer Herkunft zu tun. Dieses Gericht, Nummer 231, nehme ich deshalb auch nicht.
    Fertig, ich klappe die Karte zu, also ich wäre so weit. Ich lege sie auf die Tischkante, und sie kippt über den Rand. Als ich sie aufgehoben habe, entfleddere und wieder auf den Tisch lege, steht der Kellner schon da, und ich erschrecke kurz, denn ich bin heute tatsächlich etwas durcheinander. Esther aber auch, so scheint mir, sie mustert mich die ganze Zeit mit unsicheren Augen. Ich niese feucht in meine Hand.
    Der Ober fragt radebrechend, ob wir schon gewählt hätten, und ich zeige galant auf die Frau mir gegenüber, die Ben immer Trostpflaster nennt, die er aber sonst sympathisch findet. Dann dreht sich der Ober zu mir und fragt, ob ich denn auch schon wüsste. Ich greife nach der Karte, schlage sie auf, ich habe keine Ahnung, was ich nehmen soll. Diese Namen. Das kann sich doch kein Mensch merken.
    Esther starrt mich an, als ich mit dem Zeigefinger durch die Liste der Gerichte fahre und der Ober an seinem dunkelroten Kuli kaut. Ein rechter Zappelphilipp. (Asiaten kategorisiere ich nicht. Alle gleich.)
    Ich sehe kurz zu Esther auf und stelle fest, wie sich an ihrer Schläfe eine Ader auf und ab bewegt, weil sie ihren Kiefer so fest zusammenpresst. Ich lächle, lese weiter, lege die Karte offen auf den Tisch und reibe mit beiden Händen über meine Oberschenkel, die sich durch den Stoff der patschnassen Hose abzeichnen. Ein Beinkleid dieser Qualität nimmt auch bei einem solchen Wasserschaden keinen Schaden.
    Ich beuge mich zu Esther und zeige mit meinen Augen verstohlenauf den chinesischen Kellner, flüstere: »Eine Pizza Capricciosa bitte«, und zwinkere lachend. Dann lehne ich mich wieder zurück.
    Der Ober steht steif da. Findet das nicht witzig. Kein Humor, der Wichser. Oder er hat’s nicht kapiert. Je länger er dasteht, eine desto schlechtere Figur macht er. Dann sage ich: »Ich nehme das da«, und deute mit beiden Zeigefingern drauf. »Und das da.«
    Dann sage ich: »Und!« Ich zeige vielsagend auf eine Zeile und schwenke meine Augen von den Buchstaben hin zu seinen Augen. Er nickt irgendwie seitlich und räumt beide Speisekarten weg. Ich rufe ihm ein »Danke« nach und sehe ihm hinterher.
    »Conrad, ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich. Was ist denn los mit dir?« Esther klingt besorgt.
    Ich drehe mich wieder ihr zu und halte meine Handinnenfläche über die Kerze, die nicht-sichthindernd zwischen uns steht.
    »Mit mir, was soll mit mir sein?«, sage ich abwesend und werde den Pickel nicht anfassen, obwohl er pocht und den Eindruck macht, mit jedem Herzschlag zu wachsen.
    Die Kerzenflamme flackert, der Docht sondert eine schmale Rußfahne ab. Ich sehe in Esthers ehrliches Gesicht. Ein Gesicht, dem man trauen kann.
    »Au«, rufe ich erschrocken und ziehe meinen Arm ein. Schaue meine Handfläche an. Heiß. Dann niese ich feucht in meine andere Hand.
    Und fange auch noch an zu husten.
    Als ich mich wieder fange, bemerke ich, wie die Leute vom Tisch schräg gegenüber herschauen und so tun, als würden sie nicht herschauen. Fünf Anzugarschlöcher, so wie ich, zwei davon mit Einstecktuch. Was mag der Grund sein, frage ich mich. Kennen wir uns vielleicht? Ich ignoriere sie.
    Es ist nicht alles völlig in Ordnung mit mir. Einiges ist sogar in ziemlicher Unordnung. Ich sehe wieder zu Esther. Nicke.
    Eine kleine, ungewohnte Distanz ist mit einem Mal zwischen uns.
    Vor uns steht Ingwertee in orangeroten Tassen, ungefragt mit Aushändigung der Speisenkarte serviert. Ich greife danach. Er riecht nach alten Socken.
    »Und, was gibt’s Neues? Gut siehst du aus«, sage ich mitten im Schluck und setze den Tee ungeschickt ab, so dass etwas von dem Inhalt auf das Tischtuch schwappt.
    Jemandem zu sagen, dass er gut aussieht, ist eigentlich ziemlich anmaßend. Ich hoffe, dass sich die Qualität der Unterhaltung noch verbessert. Das Wasser auf meinem Körper kühlt immer mehr ab, als Esther mir mitteilt, welch helle

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