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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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anerkannter Stupsnasenmodelle. Könnte sein. Wie ich nämlich schmerzhaft erfahren musste, wird seit einigen Tagen tatsächlich irgendeine Messe oder ein Kongress in der Stadt abgehalten, was unsere Zimmerpreise eklatant hat in die Höhe schießen lassen. Und ich zahle ja für meine ganze Crew. Jetzt zwei Drittel mehr. Überhaupt, wieso erhöhen sich die Tarife für Hotelzimmer, je größer die Nachfrage? Ich meine, Preis ist doch Preis, oder? Ich verstehe das nicht. Vielleicht später einmal. Mir ist zum Heulen zumute. Ich stehe immer noch da, iPhone in der Hand, zu beiden Seiten ein Koffer. Radarartiger Zustand. Wann kommt denn mein Flughafenshuttle? Ich beobachte den arabischen Pulk, wie er erhaben die Halle durchschreitet, unter den opulent geschmacklosen Kronleuchtern hindurch, vorbei an den gesprenkelten Marmorsäulen. Als würde ihnen das Hotel gehören, als hätte man ihnen in ihrem ganzen Leben noch nie etwas abgeschlagen. Die wenigen vermummten Weibchen schlurfen in lachhaften schwarzen, bodenlangen Burkas über die gewienerten Lackfliesen. Auf dem Kopf unheimliche Gesichtsmasken mit winzigem Sehschlitz, flatternde Gewänder, wie aus einem Geisterschloss. Kleidung gewordenes Symbol für die frömmelnde Unterdrückung der Frau, aber paradoxerweise mit Stolz und Überzeugung getragen. Daher kein Mitgefühl nötig.
    Eine Nichtvermummte mit Katalognase schaut auf die Uhr.Aber da sie keine hat, begutachtet sie ihr Handgelenk. Der Oberperser, wohl der Anführer der Sippe, macht eine komische Verrenkung. Spaßig gemeint. So lustig wie ein Schuss ins Knie. Iraner haben keinen Humor in sich. Die anderen lachen, übertriebenes Entzücken, aber ihre schwarzen Augen glimmen vor Wildheit. Anderer Kulturkreis, andere Art von Witz.
    Alles anders.
    Wer kennt sie nicht, die Geschichten von Arabern, die im Flur des Nobelhotels von der Überwachungskamera gefilmt werden, wie sie im Gehen Stuhlgang haben und einfach unbeirrt weiterlaufen, während der Kot unter ihrem Kaftan auf den Boden plumpst und dort in Häufchenform liegen bleibt. Wer kennt sie nicht, die Geschichten von den Scheichs, die den westlichen Edelnutten während ihrer Sex-Orgien in der Hotelsuite die Brustwarzen abbeißen und die Wände mit Scheiße beschmieren. Wer kennt sie nicht, die Geschichten vom cholerischen Kuwaiter, der das Hotelpersonal verbal so lange drangsaliert, bis ein Portier genug hat und es ernsten Ärger zu geben droht, woraufhin der Araber ein Bündel Dollarscheine aus dem Ärmel zieht, Zehntausend abzählt und sie dem Angestellten besänftigend zusteckt und dabei deeskalierend auf die Schulter klopft.
    Wer kennt sie nicht, diese Geschichten, vom Hörensagen.
    Das ist schon ein lustiges Völkchen.
    Die Auslöser meiner Gedanken haben die Halle mittlerweile hinter sich gelassen, sind schon da, wo die Fliesen auf den Teppichboden treffen. Sie lachen noch immer, während ich ihnen sinnierend nachsehe.
    Was die hier wohl machen, in Nowosibirsk? Ach ja, der Kongress.

32
    Es ist 0 Uhr. Die dreistrahlige Tupolew TU 154 schießt auf ihrer Reiseflughöhe von 39   000 Fuß durch die mondlose Nacht über Russland. Ben und ich sind auf dem Weg nach Moskau, werden dort umsteigen, und ab nach Hause. Das gelbliche Licht an Bord ist gedämmt. Das Runterdrehen der Beleuchtung ist billiger als Putzen, wird aber als Nachtruhe verkauft. Die schummrige Stimmung lässt einige Passagiere vor sich hin dösen. Spitzer Geruch zieht durch die Kabine. Die Lufttemperatur bewegt sich im subtropischen Bereich. Eine fliegende Tropfsteinhöhle.
    Ben sitzt rechts neben mir und arbeitet an seinem Laptop, den er auf dem Tisch vor sich postiert hat. Das Notebook könnte genauso gut ein aufgeklappter Pizzakarton sein. Das fahle, kaltweiße Licht strahlt sein Gesicht an. In diesem Licht der Leuchtröhren erinnert mich sein Antlitz an einen Schlossgeist. Eine Solarium-Funktion via Computerbildschirm wäre eine große Erfindung. Bräunung per Internet. Get-your-tan.com. Aber dabei handelt es sich ganz sicher nicht um eine Erstidee. Ich schweife ab.
    Wir haben vier Tage länger als geplant benötigt, um mit unseren Analysen fertig zu werden. Achtzehn Tage insgesamt. Unsere Vorschläge zur Maximierung des Produktionsketten-Auslastungsniveaus haben Marischka überzeugt. Aber jetzt sind wir ziemlich ausgelaugt. Oder das, was von uns übrig ist.
    Ehrlich eingestanden, fühle ich mich ziemlich zersetzt. Die ganze Phase in Nowosibirsk über litt ich an Schlaflosigkeit. Meine fiese

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