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Paranoia

Paranoia

Titel: Paranoia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Felder
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Namen. Ein Name, ein Name, Moment. Moment, ich überlege.«
    »Tu dir nicht weh.«
    »Vielleicht liegt unser Namensproblem momentan ja nur darin, dass wir noch nicht betrunken genug sind.«
    »Dann lass uns das beheben«, sage ich.
    »Masel tow.« Er hebt das Glas.
    Ich mache es ihm nach. »Heil Hitler.« Running Gag.
    »Auf den Beginn einer neuen Zeitrechnung.«
    »Die Stunde null, sozusagen!«
    »Stunde null.«
    »Du gehst mir jetzt schon auf den Geist.«
    »Dito.«
    Wir sind in Hochform. Unsere Art Männergespräch. Eins muss man uns wirklich lassen, den unerquicklichen Kinderkram, den wir verzapfen, kann man nicht mehr übertreffen. Aber für mich ist das sehr angenehm. Bens Gesellschaft ist in dieser Hinsicht ein unbezahlbares Privileg. Nur mit klugen Menschen kann man unendlich dumme Witze machen, ohne sich im Nachhinein wie ein Idiot vorzukommen.
    Ben hält inne, sieht zu einem Tisch unweit des unseren und fragt mich erstaunt: »Ist das da drüben etwa Tom Jones?«
    Er zeigt auf jemanden. Ich sehe in die Richtung seines dezent ausgestreckten Fingers und sehe dort einen Typen sitzen, der vorhin an uns vorbeigegangen ist und sage: »Ich weiß nicht, ob Tom Jones tschechisch spricht. Aber wenn ja, könnte er es durchaus sein.« Die Stimme gesenkt, skandiere ich: »Sex bomb-ova, sex bomb-ova, you’re my sex bomb-ova.«
    Ich setze mein Glas behutsam ab. Ben ebenfalls.
    Wir sehen ein bisschen rum, lassen unsere Blicke umherschweifen, die an der gegenüberliegenden Bar hängen bleiben. Zwei junge Frauen in Habachtstellung, die aussehen wie Prostituierte, die sich als Hausfrauen rausputzen, die aussehenwie Prostituierte, die sich als Hausfrauen rausputzen, sitzen am Tresen. Gibt’s in russischen Hotelbars massenhaft. Ihr Gesichtsausdruck kommt direkt aus der »Cosmopolitan«, Seite 64, Rubrik »Wie verführe ich Männer – der laszive Blick leicht gemacht«. In Russland müssen sich Frauen ranhalten, da es in diesem Staat zehn Millionen mehr Frauen als Männer gibt.
    Ben fixiert die eine Dirne, setzt eine präsente Miene auf, wie man sie aus Hollywood-Blockbustern kennt, sagt mit schiefem Mund zu mir: »Würd ich ficken.« Ich tue so, als fände ich beide scharf, indem ich ihre Körper mit abschätzend-beifälligem Blick betrachte. Antworte: »Mmh, ja.« Eigentlich interessiere ich mich eher für die überschminkte Alte, zwei Barhocker weiter. Auch eine Käufliche. Ende 50. Finde ich scharf. Aber das würde ich vor Ben niemals zeigen. Eher schneide ich mir die Zunge ab. Die Alte schenkt mir einen taxierenden Blick aus wässrigen Augen. Und wahrscheinlich verursacht meine Erektion eine Phantasie, in der sie mir bedingungslos Untertan ist. Oder die Phantasie verursacht die Erektion. Weil jeder Mann einen Machtkomplex hat, der eine mehr, der andere weniger. Ich sehe weg. Aber ganz schnell. Verzwickte Schamgefühle.
    »Sag mal, musstest du in Moskau auch den Flughafen wechseln?«, quassle ich in kumpelhaftem Ton, um mir selbst nicht verfänglich vorzukommen.
    »Den Flughafen wechseln? Nein, wieso?«, fragt Ben und schaut dabei weiter die beiden Huren aus dem Lehrbuch an.
    »Ach, nur so. Ich musste. Egal.«
    Unser Gespräch beruhigt sich mit einem Mal, und wir erreichen eine neue Stimmungsebene. Ich beiße erneut auf die Wunde an der Innenwand meiner Unterlippe. Es blutet ein bisschen, ich schmecke es. Ich nehme mir vor, diese Stelle so bald nicht zuwachsen zu lassen.
    »Du hast sicher auch schon daran gedacht, Esther zu fragen,ob sie Interesse hätte, bei uns mitzumachen, oder?«, sagt Ben mit meisterhaft zur Schau getragener Unbeteiligtheit.
    »Wie kommst du denn jetzt auf Esther? Nein, nein. Eigentlich nein. Na ja. Es gibt noch eine ganze Menge ›Vielleichts‹. Und ich weiß, ich hätte bloß ein schlechtes Gewissen, wenn irgendwas nicht funktioniert und das Ganze doch den Bach runtergeht und sie dann L & W nur unseretwegen verlassen hat. Bei dir ist mir das egal, du kannst ruhig in der Gosse landen, und für mich kann ich schon sorgen. Aber Esther? Nein.« Ich mache eine Pause.
    Ben nickt und betrachtet die Aschenkrone am Ende seiner Zigarette mit nachdenklichem Gesicht. Er raucht Kette, hält das Ding aber immer noch wie ein Anfänger in der Probephase. Das ist ziemlich befremdlich.
    Irgendwas, das ich mir kaum erklären kann, lässt mich sagen: »Ist dir schon mal aufgefallen, dass Esther nie schlecht über andere Menschen redet?«
    Ben sieht mich verwundert an, und sein Blick sagt: Hä? Als würde er sich

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