Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
erwachende Stadt. Zehnter Stock, dachte ich. Die Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS, bei dem ich als Reporterin angestellt war, lag ähnlich hoch. Aber wollte ich wirklich riskieren, dass mir schon morgens beim Aufstehen jedesmal schwindelig wurde?
"Begeistert siehst du ja nicht gerade aus", raunte Tom Hamilton mir zu.
Ich sah ihn an und musste unwillkürlich lächeln.
"Kann ich das so schlecht verbergen?" Er strich mir eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus meiner Frisur herausgestohlen hatte. "Vielleicht kennen wir uns inzwischen einfach zu gut..." Ich zuckte die Achseln.
Tom wandte sich an den Makler.
Dieser hatte entweder sehr gute Ohren oder einen sechsten Sinn für Stimmungsänderungen. Er durchquerte das sehr geräumige Wohnzimmer, trat auf uns zu und vergrub die Hände in den Händen seiner weiten Schurwollhose. "Die Kaution ist etwas happig, Mister..."
"...Hamilton."
"Aber ich denke, dass man mit dem Eigentümer vielleicht noch darüber reden kann..."
Tom und ich sahen uns noch einmal kurz an. Wir waren uns einig. "Ich glaube, das ist nicht nötig", erklärte Tom dann.
"Die Wohnung ist vielleicht doch nicht das Richtige für uns..."
"Wie schade", bedauerte der Makler. "Eine derart zentrale Lage zu diesem niedrigen Preis... Das kriegen Sie so schnell nicht wieder angeboten. Glauben Sie's mir! Ich mach' den Job schon seit Jahren und kenne den Londoner Immobilienmarkt wie meine Westentasche." Er zuckte die Schultern. Seine Enttäuschung konnte er hinter einem geschäftsmäßigen Lächeln einigermaßen verbergen.
Wir verabschiedeten uns.
Toms Blick glitt zwischendurch zur Uhr an seinem Handgelenk. Wir mussten uns beeilen, pünktlich in die Redaktion der LONDON EXPRESS NEWS zu gelangen, wo wir beide als Reporter angestellt waren.
Es war ein kühler Morgen, und ich schlug mir den Mantelkragen hoch, als wir ins Freie traten. Die Sonne kämpfte sich durch den Dunst, und es bestand die vage Chance auf einen Tag mit heiterer Witterung.
"Der Makler hatte recht - die Wohnung liegt schön zentral", meinte Tom.
"Ja, das schon..."
"Aber du möchtest nicht in so einem Klotz aus Beton und Glas wohnen, oder?"
"Du vielleicht?"
Er zuckte die Achseln. "Hauptsache, du bist in meiner Nähe, Patti. Alles andere ist zweitrangig..." Wir küssten uns. Arm in Arm gingen wir bis zu einem nahegelegenen Parkplatz, wo ich meinen kirschroten Mercedes 190 abgestellt hatte. Erst vor kurzem war der kostbare Oldtimer - ein Geschenk von Tante Lizzy - abgeschleppt worden, weil er vor der Galerie Sounders & McInnerty im Parkverbot gestanden hatte. Aber inzwischen hatte ich das gute Stück längst wieder, auch wenn ich eine empfindlich hohe Gebühr hatte bezahlen müssen.
Wir stiegen ein.
"Hast du eigentlich mit deiner Großtante schon einmal über die Sache gesprochen?", fragte Tom, nachdem ich den Wagen gestartet und mich in den dichten Verkehr eingefädelt hatte.
"Kommt drauf an, was du mit die Sache meinst", erwiderte ich. "Allgemein habe ich mit ihr schon über die Möglichkeit gesprochen, dass wir zusammenziehen..."
Seit meinem zwölften Lebensjahr wohnte ich in der Villa meiner Großtante Elizabeth Vanhelsing, die mich wie ein eigenes Kind aufgezogen hatte. Eine lange Zeit. Es würde sicher nicht ganz leicht sein, diese Phase in meinem Leben zu beenden. Und auch für Tante Lizzy würde sich einiges ändern. Auch wenn mir die alte Dame stets versichert hatte, dass sie im Fall der Fälle gut allein zurechtkommen würde - so richtig glaubte ich ihr das nicht. Sie besaß einen großen Freundes-und Bekanntenkreis und das Okkultismus-Archiv dessen Aufbau und Erhalt sie sich mit aller Kraft gewidmet hatte, füllte ihr Leben völlig aus. Außerdem gab es da einen Bekannten, mit dem sie in letzter Zeit besonders viel zu verbinden schien. Es handelte sich um Professor Hugh St. John, der ihr verschiedentlich bei ihren privaten Studien zu helfen versucht hatte und immer mehr Zeit zusammen mit Tante Lizzy in der düster wirkenden Bibliothek der Vanhelsing-Villa zubrachte.
Vielleicht machst du dir völlig unnötig Sorgen um sie, ging es mir durch den Kopf. Könnte es sein, dass du mit deiner Sorge nur deine eigenen Ängste vor diesem Schritt verbirgst, Patti?
Ich scheuchte diesen Gedanken so schnell wie möglich zur Seite. Wahrscheinlich war er näher an der Wahrheit, als mir lieb war. Wovor fürchtest du dich?, fragte eine andere, viel ruhigere und gelassenere Stimme in mir. Was soll passieren?
Deiner
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