Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
stehen und drehte sich herum.
Sein blutleerer Mund war wie ein dünner Strich. Der Blick seiner Augen war kalt und teilnahmslos.
"Was ist?", fragte er. "Ich denke, Sie wollen Lord Darnby nicht warten lassen..."
Tom berührte mich am Ellbogen. Wir wechselten einen kurzen Blick, dann traten wir die steinernen Treppenstufen empor.
Aus den Augenwinkeln heraus blickte ich auf den Handlauf an der Seite der Treppe und erschrak.
Er war mit einem Muster aus aneinandergereihten Sechsecken versehen...
Die Form des Hexagons... Es könnte ein Zufall sein...
Aber irgendwie mochte ich an diese Möglichkeit nicht glauben.
Wir folgten dem Kutscher durch die zweiflügelige Tür und gelangten dann durch eine großzügig angelegte Eingangshalle und einen langen, hohen Flur in einen Raum, in dem Halbdunkel herrschte. In einem Kamin knisterte ein Feuer, außerdem gab es ein paar Kerzenleuchter, deren flackerndes Licht diesem Zimmer eine ganz besondere Atmosphäre gab.
Nirgends sah ich ein Fenster.
Nicht ein einziger Strahl Tageslicht konnte hier eindringen. Ich fragte mich, ob dies schon immer ein fensterloser Raum gewesen war, oder die Fenster vielleicht nachträglich zugemauert worden waren.
Die Einrichtung bestand aus sehr alt wirkenden, dunklen Holzmöbeln, die aus unterschiedlichsten Stilen und Epochen zusammengesucht waren.
Die Wände wiederum waren mit großformatigen Teppichen behängt, in deren Mustern die Form des Sechsecks eindeutig vorherrschte...
Daneben sah ich aber auch einige andere okkulte Symbole, die mir aus Ferenz Borsodys ZEICHEN DER GEHEIMEN MACHT bekannt waren. Der Herr von Darnby Castle war offensichtlich ein Anhänger okkulter Lehren. Dafür sprachen auch die grinsenden Totenschädel, die an silbernen Ketten von der hohen Decke hingen. Die vom Kamin aufsteigende Warmluft bewegte sie leicht und ließ sie wie Pendel hin und her schwingen.
Die Wand, die dem Kamin gegenüberlag war die einzige, die nicht mit Teppichen behängt war. Sie erinnerte mich an die Einrichtung in Tante Lizzys Villa. Von der Decke bis zum Boden waren Bücherregale angebracht und in den schmalen Regalen drängte sich ein dicker Band neben dem Anderen. Eine graue Staubschicht hatte sich über die Einbände gelegt. An einer Stelle wurde die Bücherreihe durch eine flimmernde Kristallkugel unterbrochen, deren unregelmäßiges Leuchten immer wieder grell aufflackerte.
Mein Blick glitt kurz die Einbände entlang.
Manche waren mit mir unbekannten Schriftzeichen versehen.
Andere Titel erkannte ich. Da waren zum Beispiel die ABSONDERLICHEN KULTE des um die Jahrhundertwende lebenden Okkultisten Hermann von Schlichten sowie die gesammelten magischen Schriften des maurischen Geistersehers Abdul von Cordoba in einer englischen Übersetzung.
Zum Kamin gewandt stand ein hoher Sessel.
Es war zunächst nicht zu erkennen, dass in diesem Sessel jemand saß. Aber dann legte sich eine mit einem dunklen Handschuh bedeckte Hand auf den hölzernen Armlauf. Die Finger tickten nervös darauf herum.
"Unsere ...Gäste... sind hier, Mylord", erklärte der Kutscher. Die Art und Weise, in der er vor dem Wort Gäste eine kleine Pause einfügte gefiel mir nicht.
"Danke, Prosper", sagte eine leise, sehr tiefe Stimme. Die Hand hob sich. "Sie können uns allein lassen..."
"Sehr wohl", sagte Prosper, verneigte sich untertänigst und wandte sich dann zur Tür. Bevor er hinausging, bedachte er Tom und mich noch mit einem eigenartigen Blick, den ich nicht zu deuten wusste. Seine Lippen bewegten sich ganz leicht und verzogen sich dann zur Ahnung eines Lächelns. In seinen blassen Augen flackerte es. Ich fühlte mich unbehaglich unter seinem Blick.
Die Tür fiel geräuschvoll hinter ihm ins Schloss.
Die Hand auf dem Armlauf des Sessels bewegte sich.
Wir bekamen ein Zeichen.
Sich zu erheben und zu uns herumzudrehen, das hielt unser Gastgeber ganz offensichtlich nicht für notwendig.
"Kommen Sie", forderte er uns auf.
Tom und ich umrundeten den Sessel, der zu einer Sitzgruppe gehörte, die um einen kleinen, runden Tisch herum arrangiert war.
Der Mann im Sessel war bleich wie der Tod, die Haut zerfurcht und aufgesprungen wie bei einem Hundertjährigen.
Das beeindruckendste waren die Augen.
Schwarz wie die Nacht waren sie.
Ihr Blick wirkte stechend.
"Setzen Sie sich!", sagte der Mann.
"Sie sind Lord Darnby?", fragte Tom.
"Ja."
Er hob leicht die Hand und deutete auf die anderen Sessel.
Auf dem kleinen runden Tisch lag ein schwarzes, in Leinen gebundenes
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