Paranormal - Fuenf Romane mit Patricia Vanhelsing
sie dem mordlüsternen Blick des Ungeheuers begegnete.
Sie schüttelte leicht den Kopf, öffnete halb den Mund und versuchte etwas zu sagen. Aber kein Ton kam über ihre Lippen.
Stummer Schrecken ließ sie schweigen.
"Meine Güte, Grace! Du bist ja ganz bleich geworden!", hörte sie wie aus weiter Ferne die Stimme ihres Mannes. "Es ist ein Bild, Darling. Nur ein Bild..."
Mit einer beinahe zärtlichen Geste rückte Ray Waters den aufwendigen Holzrahmen zurecht, der das großformatige Ölgemälde umrandete. Waters war 55 und ein erfolgreicher Industrieller. Eine hochgewachsene Erscheinung mit grauen Schläfen und stets in einen dreiteiligen Maßanzug gekleidet.
Er musterte seine um einige Jahre jüngere Frau nachdenklich.
Sie ist wie hypnotisiert durch dieses Gemälde!, ging es ihm durch den Kopf. Grace war eine hübsche Mitvierzigerin mit aparten Gesichtszügen. Eine kühle Blonde - so der äußere Anschein. Zumindest wirkte sie stets beherrscht. Um so mehr wunderte sich Waters, dass der Anblick dieses Bildes seine Frau derart mitnahm.
Er trat zu ihr, legte den Arm um sie und sagte: "Ich hänge es wieder ab, wenn du willst!"
Grace drehte langsam den Kopf zu ihm herum.
Ihr Gesicht wirkte beinahe verstört.
"Ray, ich..."
"Ich habe es vor zwei Wochen in dieser kleinen Galerie erworben... Hier in London!"
"Aber, um alles in der Welt, warum?"
"Ich kann es dir nicht genau sagen", erwiderte er. Tiefe Furchen bildeten sich auf Waters' Stirn. Er wirkte nachdenklich. Sein Blick war nach innen gerichtet. "Es faszinierte mich einfach... Ich war wie gebannt vom Anblick dieses Dämons - oder was immer das auch für eine Kreatur sein mag, die der Künstler darzustellen versuchte..."
"Es wirkt so... realistisch", murmelte Grace. "So, als würde dieses Wesen jeden Augenblick aus dem Bild heraustreten..." Sie atmete tief durch. Waters legte den Arm um sie, und sie lehnte sich gegen ihn. "Wahrscheinlich hältst du mich jetzt für hysterisch und überspannt. Aber irgendwie glaube ich kaum, dass ich mich im Angesicht dieses Bildes je wohlfühlen kann..."
"Dann kommt es in den Speicher, Darling."
"Nein, das kann ich nicht von dir verlangen!"
"Du kannst alles von mir verlangen", erklärte er und küsste sie leicht auf die Stirn. "Ich liebe dich nämlich und für mich ist das Wichtigste, dass du glücklich bist!" Sie sah ihn an. Für Augenblicke verschmolzen ihrer beider Blicke miteinander.
Dann schüttelte sie den Kopf, lächelte dabei verhalten und nestelte am Revers seines Jacketts herum. "Macht es dir wirklich nichts aus?"
"Ich werde einfach an den Wertzuwachs denken, den das Bild durchmacht, wenn ich es lagere", lächelte er.
"Wer ist denn der Künstler?"
"Ein gewisser Allan Brennan."
"Kein Name, den du schonmal erwähnt hättest..."
"Mir war er bislang auch kein Begriff - bis ich in der Galerie Sounders & McInnerty durch Zufall eines seiner Bilder sah..."
Waters ließ seine Frau los, wandte sich dem Gemälde zu und trat mit leichtem Schaudern dem Bild entgegen. "Es ist so plastisch, so.... lebendig..." Die Faszination hatte ihn vollkommen gefangengenommen. Sein Blick bekam einen eigenartigen Glanz. "Ich habe so etwas noch nie gesehen! Bei keinem mir bekannten Maler! Diese geradezu unheimliche Intensität..."
In diesem Moment betrat das Hausmädchen den Raum.
"Mrs. Waters, da ist jemand an der Tür, der Sie sprechen möchte..."
"Ich komme sofort, Bridget", murmelte Grace Waters etwas abwesend. Sie blickte ihren Mann an, der noch immer in sich versunken vor dem Gemälde stand. Wenn es sich um eine Frau handeln würde, wäre ich jetzt wohl eifersüchtig!, dachte sie.
Sie folgte Bridget und verließ den Raum.
Unterdessen hob Waters die Hand, berührte vorsichtig den Rahmen. Ein eigenartiger, prickelnder Schauder durchfuhr seinen Arm bis hinauf zur Schulter und breitete sich dann über den gesamten Körper aus.
Waters schluckte.
Er war unfähig, sich auch nur Zentimeter weit zu bewegen.
Irgendeine Kraft hielt ihn gefangen und fesselte ihn mit unsichtbaren Banden.
Was geht hier nur vor?, durchschoss es ihn. Zunächst hatte die Faszination im Angesicht dieses unheimlichen Gemäldes überwogen. Doch jetzt war es etwas anderes. Furcht...
Der Dämon bewegte sich.
Seine krallenbewehrte Pranke hob sich wie zum Schlag. Dann ragte der grünlich schimmernde, schuppige Arm aus dem Gemälde heraus.
Blitzschnell packte die Krallenhand zu und schloss sich um Ray Waters's Kehle. Das Maul des Dämons öffnete sich. Die
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