Parasiten
Meter durch Jensens Vorgarten. Sie trug eine große
Umhängetasche und wirkte irgendwie geschwächt. Sie hatte noch nicht an der
Haustür geklingelt, da öffnete Jensen schon. Bevor sie im Inneren des Hauses
verschwanden, sah sich die Frau kurz in alle Richtungen um. Ihr Blick streifte
auch die Bäume, hinter denen sich Danylo verbarg.
Danylo war wie erstarrt. Das konnte nicht sein. Auch wenn er sich
nichts sehnlicher wünschte, als dass Sofia noch am Leben war, wollte er seinen
Augen nicht trauen. Die Frau, die aus dem Taxi gestiegen und in das Haus
eingelassen worden war, hatte sich bewegt wie Sofia. Sie besaß auch ihre Haarfarbe
und Größe und ihre Zierlichkeit. Aber ihr Gesicht … In der Dämmerung und aus
der Distanz heraus hatte er es nicht deutlich sehen können, aber eine gewisse
Ähnlichkeit war da. Danylos Puls überschlug sich. Fast vergaß er, weswegen er
hergekommen war. Er musste sofort herausfinden, wer diese Frau war, die Jensen
anscheinend erwartet hatte.
Sofia wurde von Jensen betont freundlich begrüßt: »Wie
schön, Sie endlich wiederzusehen, Frau Suworow. Gerade, weil unsere letzte
Begegnung etwas misslich endete.« Er beugte sich zu einem angedeuteten
Handkuss, schreckte jedoch zurück, als er Sofias aufgekratzte und verschorfte
Haut sah.
Sofia folgte ihm ins Wohnzimmer. Dort saßen eine junge, sehr hübsche
Frau mit langen dunklen Haaren, die sie zu Zöpfen geflochten hatte, und ein
breitschultriger Kerl, dessen stiernackiger Anblick Sofia sofort
zurückschrecken ließ.
»Wir haben am Telefon abgemacht, dass wir vertraulich reden«, sagte
sie.
»Da machen Sie sich mal keine Sorgen. Die beiden sind absolut
verschwiegen. Nehmen Sie Platz, Frau Suworow. Darf ich Ihnen etwas zu trinken
anbieten?«
»Ein Glas Rotwein, danke. Damit wir auf unser Geschäft anstoßen
können.«
Jensen nahm zwei Gläser und eine Flasche Rotwein aus seiner Hausbar.
Er entkorkte die Flasche. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie Rotwein mögen,
hätte ich rechtzeitig dekantiert.«
Sofia war heiß. Die Situation verwirrte sie. Es lief nicht so wie
geplant. Die beiden Menschen, die scheinbar unbeteiligt im Hintergrund saßen,
mussten weg.
Jensen reichte ihr den Wein und stieß mit ihr an. »Auf unser
Wiedersehen. Aber kommen wir doch gleich zur Sache: Was haben Sie mir
anzubieten?«
»Mir wäre es wirklich lieber, wenn wir unter vier Augen …« Sofia
warf einen Blick zu den anderen Gästen.
Jensen kam ihrem Wunsch noch immer betont zuvorkommend nach und
schickte die Frau und den Mann ins Nebenzimmer. »Ich rufe euch, wenn wir hier
fertig sind.« Ohne ein Wort standen die beiden auf und gingen hinaus.
Sofia war kaum erleichtert. Unter diesen Umständen konnte sie ihren
Plan nicht durchziehen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Ihr Kopf tat weh.
Ihre Haut brannte.
Ramsauer war bei Christians Vorwurf in sich zusammengesunken.
»Glauben Sie mir bitte, dass ich mir der Schwere meiner Schuld absolut bewusst
bin. Ich sitze seit Wochen zu Hause in Österreich und ringe mit mir. Ich wollte
mit allem abschließen, alles vergessen und für meinen Sohn und meine Frau ein
neues Leben anfangen. Deswegen habe ich bei der Morgenpost gekündigt und eine
Stelle bei dem Lokalblatt meiner Heimatstadt angenommen. Mit der Folge, dass
ich nur noch über Angelwettbewerbe und Hühnerdiebe schreibe.«
»Und das halten Sie für eine angemessene Form der Buße?« Ramsauers
selbstmitleidiger Ton kotzte Christian an.
Nun fuhr auch Ramsauer aus der Haut. »Bestimmt nicht! Deswegen sitze
ich hier und erzähle Ihnen alles. Wohl wissend, welche Konsequenzen das für
mich haben könnte! Dabei kann ich nichts, aber auch rein gar nichts von all
dem, was ich Ihnen auftische, beweisen.«
»Das überlassen Sie mal getrost uns. Wenn wir den Stall der NMA
endlich auskehren, werden wir am Ende einen sehr großen Misthaufen haben, der
zum Himmel stinkt.«
Ramsauer beruhigte sich wieder. »Soweit ich weiß, sind nicht alle
darin verwickelt. Nur ein relativ kleiner Kreis von Funktionären und Sponsoren.
Henning Petersen hatte einen Informanten, der von drei NMA-Leuten in einem
Hamburger Luxushotel vergewaltigt worden ist. Es gab in Hennings Material eine
Tonaufnahme, in der der Informant die Namen und die näheren Umstände nennt. Der
Informant sagte weiterhin aus, dass während seiner Vergewaltigung Kontakte zu
einem so genanten ›Baltenboss‹ erwähnt worden sind, der ihnen Frauen und junge
Männer für Sexpartys zur Verfügung stellt. Als
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