Parasiten
Journalist weiß ich natürlich,
wer der ›Baltenboss‹ ist. Andres Puri.«
Christian nickte. »Darüber wissen wir Bescheid. Die Fuzzis aus der
Oberschicht poppen mit Puris Edelnutten rum und betreiben nebenbei
wirtschaftspolitische Lobbyarbeit.«
Langsam fügten sich die Puzzleteilchen zu einem Bild zusammen.
Christian nahm an, dass Petersen die Beschuldigten mit seinem Wissen
konfrontierte, und die Herren Kulturschaffenden sich dann an ihren Freund Puri
wandten, der das Problem für sie aus dem Weg schaffen sollte. Was er auch tat.
Puri beauftragte Mnatsakanov, Petersen zu beseitigen und das Belastungsmaterial
zu besorgen. Das wiederum konnte der Killer nicht finden, weil Petersen das
Original an Ramsauer geschickt hatte. Da Puris NMA-Freunden aber im Gegensatz
zu Ramsauer klar gewesen sein musste, wer Petersens Informant war, hatten sie
Mnatsakanov auf Danylo Savchenko gehetzt. Der jedoch war durch Petersens Tod
gewarnt gewesen und verschwand rechtzeitig. Also ließ Puri ihn bei seiner
Freundin und Vertrauten suchen: Sofia Suworow. Vermutlich hatten sie gehofft,
Danylo bei ihr zu finden. Oder gar das Material.
Christian hatte keine Ahnung, was Sofia zu dem Zeitpunkt über die
ganze Sache gewusst hatte. Als er damals bei ihr gewesen war, hatte sie
jedenfalls behauptet, Savchenkos Aufenthaltsort nicht zu kennen. Vermutlich
hatte sie auch bei Mnatsakanovs Besuch dichtgehalten. Ihr verprügeltes Gesicht
jedenfalls sprach für diese These. Also hatte Puri ihr über seine
internationalen Kontakte eine klare Botschaft zukommen lassen, indem er Alinas
Entführung in Auftrag gab. So musste alles zusammenhängen.
Fragte sich nur, wer Benedikt und Puri umgebracht hatte. Vadim und
Danylo? Beide hatten Motiv und Gelegenheit. Sie waren am 29. Juli nach Hamburg
zurückgekommen, um Alina zu besuchen. Am darauffolgenden Abend waren Benedikt
und Puri getötet worden. Das Erdrosseln mit dem Stahlseil könnte zu Vadim
passen. Die Garotte war ein traditionelles Mordinstrument in kriminellen
Kreisen. Die Sache mit den Insekten jedoch sprach gegen ihn. Nach Christians
Einschätzung war Vadim ein pragmatischer Mensch. Wenn er jemanden erledigen
wollte, dann genügte ihm ein Stahlseil. Oder noch reduzierter: ein sauberer
Schuss. So wie bei Röhl. Danylo jedoch war anders gelagert. Feinnervig,
sensibel, mit einem Hang zur Übertreibung. Vielleicht hatten Vadim und Danylo
die Morde gemeinsam begangen und jeder seine persönliche Handschrift
hinterlassen.
Aber was auch immer er noch herausfinden würde. Das alles wäre
vermeidbar gewesen, wenn Ramsauer sich gleich gemeldet hätte. Christian spürte,
wie seine Wut immer größer wurde.
Danylo näherte sich Jensens Villa vorsichtig. Die
Dunkelheit gab ihm Schutz. Er stieg über eine kleine Natursteinmauer, dann befand
er sich auf dem Grundstück. Das Licht aus dem Wohnzimmer schien über große
Terrassentüren in den Garten hinaus und beleuchtete die Rasenfläche. Auch in
dem Zimmer daneben brannte Licht. Danylo mied die erhellten Rasenabschnitte und
schlug einen seitlichen Bogen. Er verbarg sich hinter mehreren großen Rhododendronbüschen.
Von dort aus konnte er in das erleuchtete Zimmer sehen, das neben dem
Wohnzimmer mit den Terrassentüren lag. Eine Frau und ein Mann saßen darin und
blickten gelangweilt vor sich hin. Die Frau tippte mit gepflegten, langen
Fingernägeln auf die Tischplatte. Danylo hatte sie noch nie gesehen. Er
rätselte, wer die beiden wohl sein konnten. Sie sahen weder aus wie Personal,
noch benahmen sie sich so. Sie mussten schon in der Villa gewesen sein, bevor
er seinen Posten bezogen hatte und Jensen nach Hause gekommen war.
Er schlich ein paar Meter weiter, um Sicht ins Wohnzimmer zu
bekommen. Obwohl eine kühle Abendbrise zu wehen begann, schwitzte er vor
Aufregung. Sein Herz pochte bis zum Hals, das Blut rauschte in seinen Ohren. Im
Wohnzimmer saß Sofia. Eindeutig seine Sofia. Sie war immens abgemagert, und
ihre Gesichtszüge schienen verhärtet. Aber sie war es. Danylo traten Tränen der
Freude in die Augen. Doch er musste sich konzentrieren. Wieso saß Sofia mit
Jensen in dessen Wohnzimmer und trank Rotwein, als wären sie die besten
Freunde?
Plötzlich lief es ihm eiskalt den verschwitzten Rücken herunter.
Vadim und er hatten seit Tagen gerätselt, wer ihnen bei Benedikt und Puri
zuvorgekommen war. An einen Zufall hatten beide nicht geglaubt. Aber wem könnte
Henning davon erzählt haben? Und was sollte das mit den Insekten? Sie hatten
alles über
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