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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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alles großer Bockmist! Ich habe
überhaupt keinen Grund, da hinzufahren! Soll ich dem arroganten Arsch Händchen
halten, oder was?«
    »Schon gut«, erwiderte Anna. »Du musst vor mir nicht rechtfertigen,
dass du Savchenko gut leiden kannst.« Sie warf ihm den Schlüssel für ihr
Cabriolet zu. Christian als überzeugter Fußgänger besaß kein Auto und zudem
keinen guten Grund, in einem offiziell abgeschlossenen Fall eine Fahrt nach
Berlin mit dem Dienstwagen zu rechtfertigen.
    Christian fing den Schlüssel geschickt auf. »Nächstes Wochenende
gehen wir schwimmen, versprochen.«

 
    Mariazell.
    Bis in die Haarwurzeln angespannt saß Walter Ramsauer vor
dem Material von Henning Petersen. Es war am heutigen Mittag mit der Post
gekommen, geschickt von der Nachbarin in Hamburg. Er hatte sich sofort ins
Wohnzimmer zurückgezogen, das Päckchen aufgerissen und den Inhalt geprüft. Henning
hatte ein Anschreiben beigelegt:
     
    »Lieber Walter, ich hoffe, meine Post
erreicht Dich noch, bevor Du Dich ins Österreichische zurückziehst. Ich brauche
Deine Hilfe, alleine kriege ich das nicht auf die Reihe. Aber schau Dir erst
mal alles in Ruhe an und sag mir dann: Ist das eine Story oder ist das keine?
Ich habe keinen Schimmer, wie ich die Sache angehen soll. Können wir das nicht
zusammen machen? Schätze, das ist eine Nummer zu groß für mich kleinen Volo.
Aber ich will den Kram nicht auf den Schreibtisch vom Chef legen, wer weiß, wen
der dransetzt, und dann bin ich raus aus der Nummer. Dir vertraue ich. Ruf mich
bitte an, wenn Du Dir das Band angehört hast, und sag mir, was Du davon hältst.
Ich gehe dann so vor, wie Du es sagst, okay? Ich sozusagen als Speerspitze vor
Ort, Du als große Denkfabrik im Hintergrund. Schreiben musst Du es natürlich am
Ende, aber ich würde gerne die Recherche machen. Du hast doch mal gesagt, dass
da meine Stärken liegen.
    Ich bin so gespannt, was Du sagst! Wenn Du
einsteigst, stelle ich Dir auch meinen Informanten vor. Vielleicht können wir
Dich ja in der Einöde vom Ösi-Land besuchen, zwecks genauerer Abstimmung.
    Jetzt erst mal liebe Grüße und Alm ahoi,
oder wie sagt man bei Euch?
    Dein Henning
    Walter las den Brief zum dritten Mal. Ja, Henning, das ist eine Story, eine verdammt gute sogar! Walter fühlte
sich schuldig, obwohl er nichts dafür konnte, dass ihn das Päckchen mit dem
Brief und dem USB-Stick samt MP3-Datei erst jetzt erreichte. Er sah auf den
Poststempel. Eine Woche später war Henning tot gewesen. Ermordet. Walter war
sicher, dass Hennings Tod mit diesem Material zusammenhing. Er schämte sich für
den Gedanken, dass der Mord die Story noch brisanter machte, doch für einen
Journalisten war dieser Gedanke nur logisch und konsequent. Vermutlich hatte
Henning auf eigene Faust mit der Recherche angefangen, enttäuscht, dass er,
Walter, sich nicht meldete. Vermutlich war er dabei ungeschickt vorgegangen.
Hatte den falschen Leuten die falschen Fragen gestellt und ganz offensichtlich
auch falsch eingeschätzt, wem er damit auf die Füße trat und wie heftig.
    Walter stand auf und nahm sich einen Cognac aus dem Giftschrank
seines Vaters. Er stürzte ihn mit einem Schluck hinunter. Was sollte er tun?
Wenn er seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachkam und das Material der
Hamburger Polizei übergab, würden die den Wirbel veranstalten, und er konnte
nur noch hinterher darüber berichten. Wenn er an seinen journalistischen
Auftrag dachte und an das Recht der Öffentlichkeit auf Information, dann
tendierte er dazu, das Material noch kurze Zeit unter seinem privaten
Verschluss zu halten. Bis er die nötigen Zusatz-Infos gesammelt hatte, um einen
hieb- und stichfesten Artikel zu schreiben. Dann würde er Hennings Datei der
Polizei übergeben und zeitgleich seinen Artikel veröffentlichen. Nicht bei der
Hamburger Morgenpost, nein, mit dieser Story waren seine Zeiten bei dem
Stümperblatt vorbei. Das war seine Chance. Investigativer Journalismus. So wie
früher. Vielleicht sogar beim Spiegel.
    Walter wusste, dass er zurück nach Hamburg musste. Er wusste auch,
wie seine Frau Merle darauf reagieren würde. Trotzdem. Er hatte keine Wahl.
Seine Chance, seine letzte Chance, das musste sie verstehen.
    Sie tat es nicht. Als er mit dem Päckchen in der Hand in die Küche
kam, wo Merle mit seinen Eltern und seinem kleinen Sohn beim Nachmittagstee
saß, schaute sie ihn fragend an. Er wollte zu einer Erklärung ansetzen, doch
sie verstand auch so. Sie las es in seinem flehentlichen Blick.

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