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Parasiten

Parasiten

Titel: Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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Kumpel
von mir, du erinnerst dich vielleicht an ihn, wir haben ihn mal auf dem
Isemarkt getroffen. Er wird uns ein bisschen was über die Methoden, die Routen
und die Märkte von Frauenhändlern erzählen.«
    »Wir wollten schwimmen gehen. Das wollten wir schon letztes
Wochenende.«
    Christian gab keine Antwort. Anna wusste, dass er sich niemals für
seinen Job und die Leidenschaft dafür entschuldigen würde.
    Anna trank ihren Kaffee aus und räumte die Tasse weg. »Schwimmen ist
eh überschätzt. Und ich habe keinen Schimmer von Organisierter Kriminalität.
Kann ich was lernen. Ich gehe dann mal Kuchen besorgen. Ist Jost nicht der
Dicke, der andauernd etwas Süßes in den Mund steckt?«
    »Genau der.« Christian erhob sich, zog Anna in seine Arme und küsste
sie. »Danke für dein Verständnis. Danke für dich. Ich liebe dich.«
    Sie lächelte: »Zeig es mir. So viel Zeit ist noch …«
    Einige Stunden später war der Tisch erneut gedeckt,
diesmal mit diversen Kuchenstücken. Jost freute sich vor allem über die
Sahnetorten, auch Volker lud sich gleich zwei Stück Kuchen auf den Teller. Nur
Pete hielt sich zurück. Er komme gerade vom Schwimmen, sagte er. Anna warf
Christian einen spielerisch vorwurfsvollen Blick zu. Immerhin hatte sie mit
Pete eine heiße Affäre gehabt, bevor sie Christian kennen und lieben lernte.
Christian kniff ihr heimlich in den Hintern und flüsterte ihr zu: »Tja, hast du
damals wohl die falsche Wahl getroffen.« Die beiden grinsten sich kurz an, dann
wandte sich Christian an Jost und bedankte sich herzlich für seine kollegiale
Bereitschaft, am Wochenende etwas Nachhilfe zu erteilen.
    »Wenn es bei euch samstags immer so leckeren Kuchen gibt, werde ich
Dauergast. Doch nun zur Sache, meine Frau und ich sind nämlich heute Abend zum
Essen eingeladen.« Jost nahm sich noch ein Stück Käsekuchen, dann setzte er
an:»Soweit ich weiß, interessiert ihr euch wegen zweier verschwundener Frauen
aus Moldawien für das Thema?«
    Alle nickten.
    »Okay. Ich gebe euch erst mal einige Zahlen und Fakten: Seriösen
Schätzungen zufolge werden jedes Jahr etwa eine Dreiviertelmillion Frauen und
Kinder über internationale Grenzen hinweg gehandelt oder verschleppt.
Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass jährlich etwa hundertzwanzigtausend
Frauen aus mittel-, ost- und südosteuropäischen Rekrutierungsländern nach
Westeuropa gebracht werden. Beispiel Moldawien: Seit der Unabhängigkeit, also
seit 1991, wurden nach Schätzungen von Experten der Internationalen Organisation
für Migration bis zu vierhunderttausend junge Moldawierinnen in die
Prostitution verkauft. Die Prostituierten-Hilfsorganisation Hydra geht davon
aus, dass inzwischen rund die Hälfte der etwa vierhunderttausend Frauen, die in
Deutschland anschaffen, Ausländerinnen sind. Sie sorgen für einen Jahresumsatz,
der mit dem riesiger Konzerne wie Adidas oder Tchibo vergleichbar ist.
Zweiundachtzig Prozent der in Deutschland sexuell ausgebeuteten Ausländerinnen
kommen aus mittel- und osteuropäischen Staaten. Die Opfer sind meist bereits
Opfer, nämlich unerträglicher wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse.«
    Jost machte eine Pause und stopfte den Rest des Käsekuchens in sich
hinein, als fürchte er, demnächst auch ein Opfer unerträglicher Verhältnisse zu
werden.
    »Du hast den Vortrag schon öfters gehalten«, vermutete Pete.
    »Zigmal«, sagte Jost, wobei ihm einige Kuchenkrümel aus dem Mund
flogen. »Ändert nur nix. Gar nix.«
    »Was weißt du denn über Rekrutierungsmethoden? Eine der Frauen ist
aus einem Nachtclub verschwunden. Auf Nimmerwiedersehen.« Auch Volker nahm sich
noch ein Stück Kuchen. Anna wunderte sich, wie Volker so außerordentlich
schlank bleiben konnte. Sie musste dafür jeden Morgen am Kaifu-Ufer entlang
joggen.
    »Einige Frauen werden unter Vorspiegelung falscher Tatsachen
angeworben, andere einfach gekidnappt. Die Anwerbung läuft über
unterschiedliche Wege: Heiratsmarkt, Vermittlung auf Bestellung und Transfers
ohne Bestellung.«
    »Das ist für unseren Fall nicht von so großem Interesse«, warf
Christian ein.
    »Ich find’s spannend«, widersprach Anna.
    »Ist es auch«, stimmte Jost zu. »Keine Angst, Chris, ich mach’s
kurz: Seien es falsche Versprechungen im Heiratsmarkt oder Arbeitsmarkt. Wir
reden von so genannten ›push‹- und ›pull‹-Faktoren. Armut, Arbeitslosigkeit,
mangelnde medizinische Versorgung … Kurzum, die sozialen Missstände in den
Rekrutierungsländern ›pushen‹ die

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