Parasiten
aus als vorher, doch
seine Augen waren etwas klarer. Danylo setzte sich auf den Boden, lehnte sich
mit dem Rücken an die Wand und zog die Knie an. Er sah sich um. »Wieso haben
sie dich so schäbig untergebracht? Das ist kein Hotel, das ist eine Absteige,
das hast du nicht verdient! Du solltest in einem Palast wohnen! In einem Palast
mit flauschigen Orientteppichen und einem riesigen weichen Bett und einer
riesigen Badewanne mit heißem Wasser und voller Schaum!« Danylo begann
plötzlich wieder zu schluchzen. Er dachte an das Hotel, in dem er im März
gewesen war. An die Nacht, die alles ausgelöst hatte. Das Zimmer war schön und
groß gewesen. Mit einem dicken, nachtblauen, mit goldenen Ornamenten durchwirkten
Teppichboden ausgelegt. Und erst das Badezimmer! Weißer und grauer Marmor. Eine
übergroße Wanne. Der breite Waschtisch an drei Seiten verspiegelt. Flauschige,
vorgewärmte Handtücher.
»Leg dich hin und schlaf«, befahl Sofia. »Du musst morgen fit sein.
Wir müssen beide morgen fit sein.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht schlafen«, sagte er leise.
»Ich glaube, ich kann nie wieder schlafen.«
Sofia sah ihn prüfend an. Er war anders heute. Wenn er sich sonst
abschoss, begann er zuerst fröhlich die ganze Welt zu umarmen, und wenn die
Welt sich schließlich gegen seine allzu aufdringliche Umarmung wehrte, fühlte
er sich zurückgestoßen und wurde aggressiv. Heute war er anders. Verzweifelt.
Fast ängstlich.
Sofia setzte sich neben ihn auf den Boden und legte einen Arm um
ihn. Er stank nach Alkohol und Erbrochenem. »Was ist denn los, mein kleiner
Dany? Erzähl’s mir!«
Er klammerte sich an sie wie ein Kind. Nun klang er auch so. »Wenn
ich es dir erzähle, wirst du mich hassen!«
Sie strich ihm beruhigend über den Kopf. »Nein, werde ich nicht.«
»Doch, wirst du!«
Sofia schwieg und streichelte weiter.
»Zu Recht wirst du mich hassen! Weil ich Dreck bin, der letzte
Dreck! Du weißt ja nicht, was ich getan habe!«
»Erzähl’s mir.«
»Ich habe einen Menschen umgebracht!« Er schrie es fast.
Sofia wurde bleich. Sie wollte nicht glauben, was sie hörte, Danylo
neigte zu theatralischen Übertreibungen.
»Erzähl’s mir.«
Er stockte kurz, dann begann er wirr zu reden. Von dem Luxushotel.
Von dem heißen Bad, das er dort nahm. Weißer und grauer Marmor. Von seinen
nackten Füßen, die sich wohlig in den Teppich gruben, als er Wodka aus der
Minibar trank. Von den Männern, die in sein Zimmer kamen. Von dem Preis, den er
zahlen musste. Und jetzt war jemand tot.
Sofia hielt ihn ganz fest. Obwohl nur zwei Jahre jünger als sie, war
er ihr kleiner Dany. Das war er schon immer gewesen, seit sie ihn zum ersten
Mal getroffen hatte, damals, als er fünf war und sie sieben und sie im Schnee
»Himmel und Hölle« gespielt hatten auf dem Schulhof in Moskau. Sie musste ihn
beschützen. Vor der Hölle, in der er sich gerade befand. Sie hielt ihn, so fest
sie konnte. Sie ahnte nicht, dass die Hölle, die auf sie selbst wartete, eine
viel schlimmere sein würde.
3. April 2010
Hamburg.
Gleich am nächsten Morgen trafen sich Christian und Volker
mit Martin George, dem Chefredakteur der Hamburger Morgenpost, in seinem Büro.
George war erschüttert, als er den Grund des Besuchs erfuhr – der gewaltsame
Tod seines Volontärs Henning Petersen.
»Bitte, setzen Sie sich doch. Also, ich muss mich zumindest setzen … Ich fasse es nicht … Haben Sie die Eltern schon
benachrichtigt?«
Volker bejahte: »Ein Kollege aus Itzehoe hat das freundlicherweise
übernommen.« Volker und Christian setzten sich George gegenüber.
»Wie furchtbar für sie …« Über Georges Gesicht huschte ein kleines
Lächeln. »Als Henning sein Vorstellungsgespräch hier hatte, saßen beide draußen
auf dem Flur und haben ihm die Daumen gedrückt. Es war Henning ungeheuer
peinlich.«
»Was für ein Typ war Henning Petersen?«, wollte Christian wissen.
»Fleißig. Aufgeweckt. Ehrgeizig. Mit einem guten Gespür für Themen.
Natürlich muss er … musste er noch viel lernen, aber aus ihm hätte ein guter
Journalist werden können. Darf ich fragen, wie er getötet worden ist? Und ob Sie
schon etwas über den Täter wissen?«
»Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geben wir keine Informationen an die
Presse heraus«, antwortete Christian.
»Ich frage nicht als Journalist. Mir geht Hennings Tod sehr nahe.
Glauben Sie mir, ich mochte ihn gerne.«
Volker schaltete sich wieder ein. Wie immer fand er Christians Art
der
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